GUIDO TILL – 10 JAHRE GÖPPINGENS OBERBÜRGERMEISTER

“ICH HABE IMMER NOCH MEINEN TRAUMJOB.”   Aus GFM Ausgabe 43 Juni/Juli 2015 Eigentlich wollte er weder in die Verwaltung noch in die Politik. Guido Till, 1955 in Haan...

“ICH HABE IMMER NOCH MEINEN TRAUMJOB.”

 

Aus GFM Ausgabe 43 Juni/Juli 2015

Eigentlich wollte er weder in die Verwaltung noch in die Politik. Guido Till, 1955 in Haan bei Düsseldorf geboren, wurde Diplom-Sozialarbeiter. Er arbeitete in Kliniken und in leitender Funktion bei sozialen Institutionen. 1990 wurde er Sozialbürgermeister von Halle/Saale. Seit 2005 ist er Oberbürgermeister der Stadt Göppingen.

 

Herr Oberbürgermeister, wenn Sie im Urlaub einem Fremden das Wesen Ihrer Stadt erklären müssten, was würden Sie erzählen?

Ich könnte viel erzählen über eine reiche Tradition, aber vor allem darüber, dass es uns gut geht. Wir haben eine florierende Industrie, wir sind eine Kultur- und Bildungsstadt. Vor allem aber würde ich sagen: Es ist eine schöne Stadt, eingebettet in eine liebliche Voralpenlandschaft. Ich könnte ,reinbeißen’ in diese schöne Gegend.

 

Wenn Sie einem Unternehmer, der sich eventuell hier ansiedeln möchte, die Vorteile von Göppingen schildern sollen, wie sähen diese aus?

Dass er in Göppingen auf Kompetenz und Leistungsfähigkeit trifft. Wir haben viele sehr gut ausgebildete Ingenieure und Techniker. Dass wir hier in der Kernregion Stuttgart leben, die in Deutschland und Europa einen Spitzenplatz einnimmt. Und dass es hier in vielfältiger Weise attraktive Möglichkeiten in Sachen Lebensqualität gibt. Wenn wir das alles zusammen nicht bieten könne – wer dann?

 

Was unterscheidet Ihrer Meinung nach Göppingen von Städten wie etwa Schwäbisch Gmünd?

Wir haben kein traditionelles reichsstädtisches Bürgertum. Göppingen war eine kleine Stadt, die mit der Industrie groß geworden ist. Denken Sie an Märklin oder Boehringer. Wir sind eher pietistisch angehaucht. Ein Bürgertum mit historischem Standesbewusstsein haben wir in der Form wie etwa Schwäbisch Gmünd nicht. Da gibt’s dann einen Fanfarenumzug, wenn irgendwo ein Poller installiert wird (lacht).

 

Das könnten Ihnen die Gmünder krumm nehmen…

… das war auch nicht bierernst gemeint. Es fällt uns – in der historischen Perspektive – einfach schwerer zu sagen: Wir sind Göppinger. Wichtig: Wir haben 300 Millionen in den letzten zehn Jahren in Göppingen investiert. Gmünd hat das in einem Jahr über die Landesgartenschau gestemmt.

 

Wie kommen Sie mit Richard Arnold klar, dem Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, der ja allgemein als unkonventioneller Volkstribun gilt?

Ich mag ihn sehr und wir arbeiten hervorragend zusammen. Im Grunde ist es ganz einfach: Jede Stadt hat den OB, den sie haben will. Die Gmünder lechzten nach einem Oberbürgermeister wie Richard Arnold. Für Göppingen aber gilt: Wenn ich mich wie Richard Arnold verhalten hätte, wäre ich nicht gewählt worden.

 

Göppingen erhielt 2008 von der Bundesregierung die Auszeichnung „Ort der Vielfalt“. Was heißt das konkret?

Wir hatten uns an der Aktion beteiligt. Gewürdigt wurde unter anderem unsere intensive Sprachförderung in den Kindertagesstätten oder die Sprachförderkurse der Volkshochschule für muslimische Frauen.

 

Leidet Göppingen wie viele andere Kommunen an den Kosten und der Organisation für Asylbewerber und Flüchtlinge? Wie kommen die unterschiedlichen ethnischen Gruppen in Göppingen miteinander aus?

Bis zu 37 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund leben in den verschiedenen Stadtteilen. Nehmen Sie meine Sekretärin – sie ist Aramäerin. Ich liebe die Kulturenvielfalt in dieser Stadt. Ich habe kein Problem damit, in eine Moschee zu gehen. Aber wir müssen nicht alle unterm Regenbogen tanzen. Der kleinste gemeinsame Nenner sind die deutsche Sprache und die Regeln des Rechtsstaates. Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass man auch in Göppingen überleben kann ohne ein Wort deutsch zu sprechen. Im Übrigen ist es doch so: Vollbeschäftigung ist wichtig. Und gemeinsam am Arbeitsplatz miteinander auskommen ist die Grundlage für sozialen Frieden. Dafür sorgt sicher auch, dass wir ein großes Wohnungsangebot haben.

 

Rathaus

 

Göppingen und Schwäbisch Gmünd kooperieren im Projekt Stauferland. Was darf man sich darunter vorstellen?

Das ist eine Touristikgemeinschaft, es ist ein Regio-Marketing-Projekt. Richard Arnold ist Vorsitzender, ich bin sein Stellvertreter. Wir haben natürlich von unserer Seite aus den Hohenstaufen im Blick, wir planen aber auch gemeinsame Aktionen, etwa einen gemeinsamen Auftritt bei der CMT.

 

Sie waren in der SPD, dann parteilos, dann in der CDU. Das klingt etwas verwirrend.

Mein Vater war CDU-gebunden. Ich war politisch immer in der Mitte. Die CDU ist zur Mitte gewandert, die SPD nach links. Bis 2007 war ich SPD-Mitglied. Aber es gab mit der SPD im Gemeinderat zunehmend politische Missverständnisse. Wenn eine Sache, von der ich überzeugt bin, im Gemeinderat erklärungsbedürftig ist, setz ich alles daran, eine Mehrheit dafür zu bekommen. Ich bin mit 62 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden – bei sechs Gegenkandidaten.

 

Wird man nicht im Amt irgendwann müde, wenn alle an einem zerren?

Ich wollte ursprünglich weder in die Politik noch in die Verwaltung. Heute kann ich sagen: Nach zehn Jahren darf ich immer noch meinen Traumjob erfüllen. Ich denke, ich habe zusammen mit vielen anderen Menschen in der Stadt Göppingen mit ihren knapp 60.000 Einwohnern eine durchaus vorzeigbare und transparente Bilanz schaffen können. Außerdem versteh ich jetzt fast alles auf Schwäbisch (lacht).

 

Zum Schluss die übliche Homestory-Frage: Was ist mit Vorlieben, mit der Freizeit?

Ich fahre gern Rad und jogge so oft wie möglich. Mit den Kindern, eines ist 3 Jahre alt, eines 16 Monate, fahren wir im Urlaub nach Holland. Aber ich liebe auch die Berge, habe oft den Urlaub in Oberstdorf verbracht. In diesem Jahr möchte ich noch eine Wanderung durch Südtirol machen.

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