IDENTITY KUNST SUCHT HEIMAT

Ausstellung noch bis 27. Januar 2019 jeweils sonntags 11 - 17 Uhr und samstags 13 - 17 Uhr, unter der Woche nur mit Anmeldung, zu sehen.

Schuhe stehen auf zwei Tafeln. Kleine Schlappen, Plastiksandalen, Stiefelchen für ganz kleine Füße, Schuhwracks, mit denen keiner von uns einen Schritt wagen würde. Die Bretter mit ihnen hängen an einer Wand im Schloss Untergröningen. Mit freiem Blick hinab auf das sonnenbeschienene Kochertal. Die Geschichten, die diese Schuhe erzählen könnten, manifestieren sich in der Ausstellung „IDENTITY – Kunst sucht Heimat“. Über allem steht der Begriff „Flucht“.

Auf 1000 Quadratmetern hat Kuratorin Heidi Hahn mit Respekt und Empathie Dokumente und Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern platziert, die aus ihren Heimatländern flüchten mussten und in Deutschland eine neue Bleibe gefunden haben. Ob es auch ihre neue Heimat werden könnte?
Flucht, was bedeutet sie. Trifft sie immer nur die anderen – oder wiegen wir uns in unserer Wohlstandsgesellschaft zu sehr in Sicherheit? Das Tempo, mit dem sich autokratische Regimes ausbreiten, gebe durchaus zur Sorge Anlass, wie der Vorsitzende des Kunstvereins KISS, Martin König, anmerkt.
Deshalb hat diese Ausstellung, in der Heidi Hahn Bilder, Fotografien, Collagen, Videos und plastische Werke von kreativen Menschen aus den verschiedensten Kulturen zusammengetragen hat, mehrere Ziele. Sie möchte mit den Exponaten betroffen machen und die Betrachterinnen und Betrachter anregen, über die Zusammenhänge von Flucht und Vertreibung nachzudenken.

Stoff hat sie dafür genügend aufbereitet und zum Teil hautnah inszeniert. Wer in einen Raum mit Taschen möchte, die aus den Resten von Schlauchbooten angefertigt worden sind, muss sich am mächtigen Bug eines in den Flur gezwängten Bootes vorbei drängen. 2016 hat es rund 160 verzweifelte Menschen 400 Kilometer aus Libyen nach Malta getragen. Nicht alle haben das Ziel erreicht. In seinem Heck riecht es noch muffig.
Zwischen den kleinen Schuhen, dem riesigen Boot und einer Wände füllenden Fotografie des zerstörten Aleppo trifft das Auge auf viel Buntes. Manches rot wie Blut. Irritiert tastet man sich durch die Kälte eines schwarzen Kabinetts, muss den Gang durch einen Container wagen, der Menschen mit dem Pech der Geburt in einem armen oder despotischen Land mal als Transportmittel gedient hat – und landet schließlich in einem Studio mit Burkas, Tschadors und anderen Kleidern, die ihre Trägerin vor der Außenwelt verbergen. Ob sie dem Publikum damit nicht zu viel zumute, grübelt die Kuratorin. Nein, denn sie macht damit den sehr ernst gemeinten Versuch, den Menschen, von denen viele erst in Deutschland begonnen haben, ihre schweren Traumata durch die Kunst zu verarbeiten und dabei oft Erschütterndes preisgeben, ihre Würde zurück zu geben.

Neben bekannten Künstlern wie Faisal Adil Fahar al Salih aus dem Irak oder dem Nigerianer Chidi Kwubri, der bereits das MISEREOR-Hungertuch gestaltet hat, ist auch der syrische Cartoonist Hussam Sarah dabei, der für seine politischen Karikaturen in seiner Heimat und deren Nachbarländern verfolgt worden ist.

INFO: Die Ausstellung ist eingebunden in das Rahmenprogramm des Jubiläums „30 Jahre Flüchtlingsrat Baden-Württemberg“. Um die Themen Krieg – Vertreibung – Flucht auf 1.000 qm Ausstellungsfläche für die Besucher zur unmittelbaren Realität werden zu lassen, hat der Kunstverein KISS mit der UNO-Flüchtlingshilfe, Seawatch, Mimycri Berlin, Amnesty International und auch regional mit der LEA Ellwangen und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg zusammengearbeitet. Anmeldung für Gruppen und zu Führungen unter info@kiss-untergroeningen.de oder Tel. 07366 8218.

Text: Wolfgang Nußbaumer

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EventsKultur

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