SELTSAME SPEZIES

Wolfs Revier
Foto: Mika Baumeister

Eine traurige Zahl. Weltweit hat das Corona-Virus hunderttausende Menschen dahingerafft oder zumindest ihren Tod mitverschuldet. Überwiegend Ältere; doch auch Jüngere sind Covid-19 zum Opfer gefallen. In der Regel, weil sie Vorerkrankungen hatten. Oder keinen Platz auf einer Intensivstation gefunden haben. Donald Trumps Amerika ist dafür ein erschütterndes Beispiel. Zuerst hat der Typ mit der affigen blonden Tolle die Pandemie heruntergespielt – bis es zu spät war, vorbeugende Maßnahmen in Gang zu setzen. Er selbst ist von dem Virus nur gestreift worden. Es kennt keine Gerechtigkeit; vor ihm sind alle Menschen gleich. Deshalb hat es unter den über 250.000 Toten vor allem arme Amerikaner erwischt. Schwarze, die sich die teure Behandlung ihrer Atemwege nicht leisten können. Und deshalb auch um die Erkrankung anderer Organe als Folge einer Corona-Infektion fürchten müssen. Sie hat der rechte Republikaner ohnehin nicht zu seiner Klientel gezählt.

Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, dieses Magazin in Händen halten, sind Sie möglicherweise schon geimpft. Weil rund 225 Labore und Unternehmen weltweit zu möglichen Impfstoffen geforscht haben und noch forschen. Um nur einige zu nennen: BioNTech/Pfizer, CureVac in Tübingen und die dortige Universität, oder Leukocare in Planegg mit Partner in Italien und Belgien. Mit Erfolg, was angesichts der üblichen Zeiträume für solche Entwicklungen fast schon ein kleines Wunder ist. Ein gutes Zeichen. Im Würgegriff der Pandemie hält die Welt zusammen. Nur dürfte die Corona bedingte Solidarität der Schnee von gestern sein, sobald das Virus ausgeschaltet ist.

Dann wird auch die seltsame Spezies der „Coronaleugner“ wieder aus dem Rampenlicht der Öffentlichkeit verschwinden. Ein Segen. Treibt doch eine Ausnahmesituation, die den Menschen vereinzelt, Kommunikation drastisch erschwert und fast alle kulturellen Zerstreuungen unmöglich macht, auf Dauer seltsame Blüten. Kennen Sie „Jana aus Kassel“? Das ist die 22 Jahre junge Frau, die auf dem Opernplatz in Hannover einen ungeheuerlichen Vergleich von sich gegeben hat. Sie fühle sich wie Sophie Scholl, da sie „seit Monaten im Widerstand“ tätig sei. Jana aus
Kassel hat in der Schule nicht aufgepasst, sonst wäre diese Aussage nicht über ihre Lippen gekommen. “Ich kann und werde niemals aufgeben, mich für Freiheit, Frieden, Liebe und Gerechtigkeit einzusetzen”. Dieses Bekenntnis ist von der Studentin, die mit 21 Jahren in der Münchner Uni als Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ Flugblätter gegen die Nazis verteilt und dafür mit dem Tode bestraft worden ist, zwar nicht bekannt; es beschreibt jedoch ihr Handeln zutreffend. Gesagt hat den Satz jene Jana. Weil es hierzulande Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit gibt, darf sie einen derart anmaßenden Vergleich absondern. Dass sie damit letztlich auch den Holocaust verharmlost hat, ist ihr nie in den Sinn gekommen. Das gehört eher zur Agenda rechter AfD-Leute, die als Gäste einiger ihrer Abgeordneter unlängst und schamloserweise den Reichstag zum Forum ihres geistigen Unflats gemacht haben. “Wer sich heute mit Sophie Scholl oder Anne Frank vergleicht”, hat Außenminister Heiko Maas getwittert, “verhöhnt den Mut, den es brauchte, Haltung gegen Nazis zu zeigen. Das verharmlost den Holocaust und zeigt eine unerträgliche Geschichtsvergessenheit.” Nichts verbindet Coronaproteste mit Widerstandskämpfer*Innen. Nichts!” Absolut gar nichts!

Wolfgang Nußbaumer

 

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KolumneKultur

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