Nein, wir wollen nicht schon wieder über Ellenbogenmentalität und knallharten Egoismus in unserer Gesellschaft schimpfen. Obwohl es angesichts von Nachrichten wie jener, dass Polizei und Rettungsdienste Sichtschutzwände aufstellen müssen, um Unfallopfer vor den Blicken von Gaffern zu schützen, schwer fällt. Die Aufforderung an Sanitäter, mal kurz zur Seite zu treten, damit man besser fotografieren könne, verschlägt einem fast die Sprache.
„Sex sells“ weiß die Werbewirtschaft; Gewalt in jeglicher Form, Autowracks mit Toten und Schwerverletzten – real und im Bild, locken den Blick des Voyeurs genau so magisch an. Der Anblick geschundener Leiber und deformierten Metalls geilt viele Leute ebenso auf, wie die Frau, die im Schutz von Gartenmauer oder hoher Hecke ein Sonnenbad nimmt. Voyeur hat einen männlichen Artikel. Männersache.
Wem es zu riskant erscheint, auf der Straße über den Zaun zu schielen, dem eröffnen die sozialen Medien ein Betätigungsfeld mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten der Anmache und von Plattformen mit Gewaltexzessen. Tarnen und Täuschen beherrscht diese Spezies der Trieblinge perfekt. Eine feige Bande, die im Schutz der Anonymität sich selbst in die Tasche lügt. Gemeint sind nicht die pädophilen Sabbertypen mit dem perversen Kinderwunsch. Sondern Normalos, denen Rücksicht und Mitgefühl abhanden gekommen sind. Vielleicht haben sie diese Tugenden nie kennengelernt.
Gar zu gerne würden wir diese Kerle mit einem tollen Typen bekannt machen, der im Januar 90 Jahre alt geworden ist. Seinem Alter mag es geschuldet sein, dass ihn kaum noch jemand kennt – und der stark gewachsenen Konkurrenz anderer vermeintlich toller Typen. Vielleicht lockt auch seine Kraftnahrung heute kein Kleinkind mehr aus dem Buggy. Popeye heißt der tätowierte Matrose mit Käppi und Pfeife, dem Spinat seine Bärenkräfte verliehen hat. Der Autor und Zeichner Elzie Crisler Segar hat ihn einst als Serienhelden aus der Taufe gehoben – und damit den Verbrauch des grünen Blattgemüses in den USA für einige Zeit um rund ein Drittel gesteigert. Der smarte Knurrhahn, unter dessen rauer Schale ein gutmütiges Herz schlägt, war neben Coca Cola und Micky Maus weltweit der beste Botschafter Amerikas. Mit Grausen denken wir an seine Nachfolger wie Richard Grenell in Berlin oder seinen zeitweiligen Berater und Chefstrategen Steve Bannon. Die Comicfigur wurde sogar zum Kunstobjekt. Das müssen Super-, Bat- und Spiderman samt Kollegen erst mal schaffen. Vielleicht sollten sie mehr Spinat essen. Der ist trotz seines vernachlässigbaren Eisengehaltes sehr gesund, macht Muckis und verhilft – wie Popeye beweist – zu markantem Profil.
Wolfgang Nußbaumer