SIE WURDE IM SCHWÄBISCHEN NÖRDLINGEN GEBOREN ALS KIND UND TEENAGER HASSTE ES RAMONA BERNHARD, WENN MAN SIE FOTOGRAFIEREN WOLLTE. NUN HAT SIE DER PLAYBOY AUF KEA IN DER ÄGÄIS FOTOGRAFIERT. WAS WENIGE JENSEITS DES MODEL-KLISCHEES WISSEN – SIE BETREUT IN IHREM EIGENTLICHEN BERUF ALS KRANKENSCHWESTER SCHWERSTKRANKE AN EINEM KLINIKUM.
Wenn Carlo am Abend im Körbchen liegt, ist es für sein Seelenheil von größter Wichtigkeit, dass er zugedeckt wird. Vollständig. Wie man gebettet wird, so ruht man. Carlo ist 6 Jahre alt, ein Zwergpinscher. Carlo hat ein ruhiges Leben, er wird von allen gestreichelt und geliebt und oft fotografiert.
Sein Frauchen Ramona ist viel größer, hat die Idealmaße 91-62-92 und feiert am 9. August ihren 27. Geburtstag. Zu ihrem Leben gehört, dass sie mit vielen unterschiedlichen Kleidern bedeckt wird, mal mehr, mal weniger. Mal ist es ein Dirndl, mal ist es ein Bikini. Und manchmal gehört zu diesem Job, dass man sich selbst komplett aufdeckt, also nackt ist. Das konnte man in der deutschen Ausgabe des „Playboy“ im Wonnemonat Mai erst wieder beschauen und bewundern. Zum einen Teil des Lebens von Carlos Frauchen gehört, dass man mehr oder weniger ständig fotografiert wird. Ramona ist Model.
Wo niemand fotografieren will
Der andere, der hauptsächliche Teil von Ramona Bernhards Leben, hat ganz andere Kulissen. Dort will eigentlich niemand fotografieren. Und wenn ,Fotos’ gemacht werden, dann machen das die Maschinen – Röntgengeräte, Kernspintomographen. Es geht nicht um das Model Ramona Bernhard auf der Sonnenseite des Lebens. Es geht um Leben und Tod der Anderen, um das der Patienten. Deren Hände streichelt Ramona Bernhard zuweilen, nicht wissend, ob die Geste noch bewusst wahrgenommen wird.
Denn Ramona Bernhard ist im Hauptberuf Krankenschwester. Aber nicht eine Krankenschwester, die ihren Patienten nach einem komplizierten Beinbruch ruhigen Gewissens die Floskel „Das wird schon wieder“ mit auf den Weg geben kann. Es ist komplizierter. Denn die Krankenschwester Bernhard arbeitet in der Neurochirurgie, in der Palliativmedizin, in der Hämatologie.
Da geht es um Gehirn-Tumoren. Da geht es darum, dass die Krankenstation häufig genug auch Endstation bedeutet.

Gegen Walfischfang – aufgenommen für ein US-Magazin. Foto: Burghart
Wovon niemand was wissen will
Davon will eigentlich niemand was wissen. Davon weiß das junge Mädchen nichts, das den Foto zückt, wenn Ramona Bernhard über den roten Teppich zu einem Hoteleingang stöckelt, hinter dem sie dauerlächelnd bei einem Event Mode präsentiert – oder einfach nur rumsteht, weil sie als schmückendes Beiwerk geladen wurde. Davon weiß auch der schon etwas ältere Herr nichts, der im „Playboy“ in Deutschland oder in einem US-Magazin ihre Bildstrecken durchblättert. Das gehört nicht zu seiner Phantasie-Strecke. Davon will er garantiert nichts wissen.
Wie geht das alles zusammen? Davon wollten wir erfahren.
Und so tauchte Ramona Bernhard Anfang Mai mit ihrem Agenten und Freund in der Chefredaktion von GO FOR MORE zum ,Frühstücksinterview’ auf. Ramona Bernhard kommt aus Höchstädt bei Nördlingen, dem östlichsten Punkt unseres Verbreitungsgebietes. Nördlingen hat eins nicht, was Schwäbisch Gmünd hat: Die knackig-knusprigen, die „unglaublich leckeren“ Brezeln von Bäcker Frank Stemke.
Guck mal, meine Muckis
Gleich zwei hintereinander wurden vom Model ,niedergebrezelt’. Sie kann es sich leisten – ihr Fitness-Programm lässt so manchen Mann betreten schweigen. „Guck mal, meine Muckis“ – da kann selbst die ausgemergelte Dauerselbstoptimiererin Madonna nicht mithalten.
Brezeln und Muckis – scheinbar banal. Aber diese kurzen, scheinbar unscheinbaren Momentaufnahmen beim Frühstück, sind bezeichnend für diese Frau. Die zickige Arroganz, die Affektiertheit, die Starlet-Selbstüberschätzung, die Naivität – all das, was mit dem Klischee des Models verbunden wird, sucht man bei ihr vergeblich.
Schwäbisches Landei
Ramona Bernhard ist – ein schwäbisches Landei. Völlig unkompliziert, völlig normal. Das ist eine, mit der man Pferde stehlen kann, um einen alten Landleute-Spruch zu bemühen. Vielleicht sind es die Sommerprossen, die in Verbindung mit ihrem ungezwungenen Auftreten diesen Eindruck von unverstellter Natürlichkeit noch verstärken. Man kann sich gut vorstellen, dass diese Frau in zwanzig Jahren als etwas gerundete gemütliche Mama mit zwei Kindern lachend auf ihre Jahre als Model zurückblickt.

Klein-Ramona vor vielen Jahren mit Nachbarshund im Dörfchen Herolding. Foto: privat
Sport und Disziplin (die unbedingt dazugehört) waren schon lange vor den Blitzlichtern und Beleuchtungsschirmen ein Anker in ihrem Leben in der Provinz. Das begann 1988 als Tochter eines Kalkbrenners (zuvor war der Papa Metzger) und einer Altenpflegerin. Die beiden Brüder Michael (34) und Florian (33) hatten es mit technisch Handfestem: Michael arbeitet heute als Schlosser bei der Stadt Nördlingen, Florian als Ingenieur (in Österreich). Ramona Bernhard: „Meine Familie war und ist mein emotionaler Pfeiler und meine soziale Referenz. Hier fühle ich mich geboren, hier kann ich über alles sprechen, hier hole ich mir Rat.“
Pferde, Hunde, Katzen
Noch „bevor ich richtig laufen konnte, saß ich schon auf einem Pferd“, erinnert sich Ramona Bernhard an die früheste Kindheit. Die Eltern hatten gleich drei Pferde, die im Stall von Bekannten untergestellt waren. „Tiere haben immer dazugehört, Hunde und Katzen waren irgendwie immer bei uns oder in der Nachbarschaft.“ Und damit erklärt sich heute natürlich auch Carlo. Und Ramona stand auf Rollerblade und Snowboarden und war eine der Besten im Schwimm- und Sportverein. „Ich glaub, die Muckis kommen auch vom Schwimmen.“
Alles klingt nach wohlbehüteter Kindheit in der schwäbischen Provinz am Rande zu Bayern, in der kein Platz für Oberschichten-Üppigkeit (und -Dekadenz) war. Und genauso versteht Ramona Bernhard auch ihre Kindheit und Jugend. Die beste Freundin, die nach der Grundschule auf die Hauptschule ging, war das beste Motiv, auch auf die Hauptschule zu wechseln. „Natürlich bin ich danach aufgewacht und wusste, dass ich damit bei uns nur Friseurin oder Kassiererin im Supermarkt werden kann.“

Als Miss Tourism Germany für die Urlaubsplattform Vajando. In diesem Jahr geht’s zum Weltfinale in London. Foto: Burghart
Im sozialen Bereich bleiben
Also wurde die Mittlere Reife (mit Auszeichnung) nachgeholt. Sie entschloss sich, Kindererzieherin zu werden. „Mich haut das heute noch um, wie offen und unverstellt Kinder sind. Und wie sie in den ersten Jahren noch kaum negative Einstellungen haben.“ Aber, die Arbeit im Kindergarten war dann auf die Dauer nicht eine wirkliche Herausforderung. „Ich wollte mehr, wollte aber im sozialen Bereich bleiben, da hat mich meine Mutter sicherlich geprägt.“ Und „der Beruf der Krankenschwester umfasst ein weites Spektrum der beruflichen Möglichkeiten.“
Also folgte eine weitere Ausbildung und danach bewarb sie sich auf eine Stelle in der Neurochirurgie in Günzburg. „Es geht hier nicht nur um die Grundtätigkeiten einer Krankenschwester. Es gibt einen enormen organisatorischen Aufwand. Es geht auch um modernste Technik, auch das interessiert mich. Am Klinikum in Günzburg haben wir einen ,Brainsuite’, eine von drei Maschinen in ganz Deutschland. Es ist eine permanente Überwachung durch ein bildgebendes Verfahren, während am Gehirn operiert wird. Damit kann der Spezialist viel exakter arbeiten.“
Prüferin bei Staatsexamen
So ist Ramona Bernhard seit 2008 in Günzburg tätig. Eine Vielzahl von Weiterbildungen folgte. Mittlerweile ist sie selbst Prüferin beim Staatsexamen von Krankenschwestern. Und weil sie offensichtlich als vielseitig kompetente Fachkraft von Ärzten und Vorgesetzten geschätzt wird, erhielt sie im letzten Jahr das Angebot zur Weiterbildung zur „Onkologischen Fachkraft“. Schafft sie das mit einem entsprechenden Notendurchschnitt, erhält sie damit auch die Fachhochschulreife.
Gerade in der Onkologie besteht Fachkräftemangel. Wohl vor allem aus einem Grund erklärlich: Onkologie bedeutet – Beschäftigung mit Krebskrankheiten. Schwester Ramona ist so derzeit an der Universität in Ulm und lernt neue Ansätze in der Pflege krebskranker Menschen, in der hämatologischen (Blutkrankheiten) und in der palliativen (leidensverringernden) Medizin.
Die depressiven Augenblicke
Wird man da nicht selbst depressiv? „Ja, manchmal hab ich wirklich depressive Momente. Es wäre gelogen, das zu leugnen. Wenn ich manchmal aus dem Krankenhaus komme, wo ich so viel Leid sehe, fällt mir oft gar nicht mehr auf, dass es Frühling ist, dass die Sonne scheint. Wenn dann zuhause oder bei Bekannten und Freunden jemand auch noch traurig ist oder gar krank, dann bin ich echt fertig und geh in mein Zimmer und heul ne Runde.“
Ramona Bernhard wohnt nicht mehr zuhause, sondern in einem kleinen Ort in der Nähe von Günzburg. Oder im Schwesternheim in Ulm. Oder im Hotel in München. München hat vor allem etwas mit dem Leben als Model zu tun. Vielleicht ist das zweite Leben als Model genau das, was sie braucht, um ihr erstes als Helferin schwerstkranker Menschen auszuhalten.
Am Anfang Mode aus Dubai
Das zweite Leben begann durch einen Zufall. Dabei hasste Ramona Bernhard eigentlich, fotografiert zu werden. „Als Kind wollten mich alle ständig fotografieren. Ach Frau Bernhard, hend sie aber hübsch Töchterle. Manchmal war es geradezu beklemmend.“ Deshalb hat sie es auch als Teenie nie interessiert, wer jetzt wo wie in welchen Klamotten in welcher TV-Show auftritt.
Bis an einem Wochenende vor Jahren zufällig der Freund eines Bekannten auftauchte und plötzlich meinte: „Ich brauch ein fünftes Mädel für eine Modenschau. Allzu übel siehst du ja nicht aus…“ Und alle Freundinnen und Bekannte, die Eltern und die Brüder meinten: Mach einfach mal mit! Und so wurde die weiße Schwesternkleidung getauscht – gegen Mode aus Dubai! Das war 2010 im „Mandarin Oriental“ in München.
„Eigentlich hatte ich gar nicht viel Zeit, um mir viele Gedanken zu machen. Es geschah einfach. Und plötzlich hatte ich tolle Bilder von mir und auch ein bisschen Geld zusätzlich verdient. Aber plötzlich wusste ich auch, dass da noch viel fehlt, dass auch das echte Arbeit ist, wenn man ernsthaft modeln möchte. Man muss das richtig lernen, sich vor der Kamera zu bewegen.“

Foto: Burghart
Beruf hat Vorrang
Der Fotograf half ihr natürlich dabei. Er wurde ihr Agent. Heute sind sie ein Paar. Und schon bald kam die eine oder andere Anfrage. Und schon sah man Ramona Bernhard auf Fotostrecken mal im Bikini, mal im Dirndl. Shooting reihte sich an Shooting, Auftritt an Auftritt. Dazwischen – Pausen, denn der eigentliche Beruf hat Vorrang vor allem anderen. Dazu gehören selbstverständlich auch Wochenenddienste.
Gar nicht selbstverständlich ist eine Fotostrecke im „Playboy“. Tausende bewerben sich dafür jedes Jahr in Deutschland. Einige wenige werden im Monat nach München in die Arabellastraße eingeladen, um sich vorzustellen. „Es sind fast ausschließlich Frauen, so um die dreißig, beim Playboy in München. Alle sind sehr nett und lieb. Aber sie stellen einem sehr viele Fragen.“ Wer Glück hat, wird in die Kartei aufgenommen. Wer noch mehr Glück hat (nur 8 bis 10 pro Jahr), bekommt irgendwann einen Anruf.

Mützen machen nicht nur einen warmen Kopf. In diesem Fall bekam der Mützenhersteller „heissen“ Protest und musste dieses Bild mit Ramona Bernhard aus der Werbung nehmen. Foto: lion brands
Pech im Glück?
Ramona Bernhard hatte dieses Glück. Aber bedeutet das nicht auch in gewisser Weise Pech, weil man dann abgestempelt wird als blondes „Playboy“-Häschen, das nichts kann als sich ausziehen und das Klischee der ,geilen Krankenschwester’ bedient? „Die Leute, die dich so sehen wollen, tun das ohnehin, das kann man nicht ändern. Wenn ich sehe, wer sich alles wie in Facebook oder sonst wo im Netz präsentiert, davon kann einem übel werden.“
Und wie reagieren die Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus auf eine Model-Krankenschwester? „Natürlich hatte ich etwas Angst. Aber es kam total anders, als ich befürchtet hatte. Niemand machte mich blöde an. Im Gegenteil, viele gratulierten mir. Und die Mitarbeiterzeitschrift des Bezirks Schwaben, zu dem unsere Klinik gehört, das sind immerhin 8.000 Mitarbeiter, fragte an, ob sie über mich berichten könne.“
Vier Stunden sind vorbei. Aufbruch, in Nürnberg wartet eine Trachtennacht auf Ramona Bernhard. Zudem steht in den nächsten Wochen ein Shooting für einen Firmenkalender an.
Vor allem aber viel Arbeit in der Klinik. Weshalb nicht das Eine lassen, um nur noch das Andere zu tun? Offensichtlich (noch) keine ernsthafte Frage. Denn das Eine ist eine Lebensaufgabe. Das Andere trägt auf die Dauer kein Leben. Aber es macht alles leichter.
D.-C. & H. Bredl