OLIVER BURGHART: DER MANN MIT ZWEI GESICHTERN

ER IST AGENT VON MODE-MODELS UND AUSBILDER BEI DER BUNDESWEHR. OLIVER BURGHART HAT ZWEI ARMEE-EINZELKÄMPFER-ABZEICHEN UND IST EBENSO EINZELKÄMPFER IN DER WELT DES SCHÖNEN SCHEINS. Deutsche Soldaten retten im...

ER IST AGENT VON MODE-MODELS UND AUSBILDER BEI DER BUNDESWEHR. OLIVER BURGHART HAT ZWEI ARMEE-EINZELKÄMPFER-ABZEICHEN UND IST EBENSO EINZELKÄMPFER IN DER WELT DES SCHÖNEN SCHEINS.

Deutsche Soldaten retten im Mittelmeer Flüchtlinge aus den maroden Booten skrupelloser Schleuser. Auf dem Balkan sorgen sie dafür, dass sich verschiedene Volksgruppen nicht wieder an die Kehle gehen. Bei der Sturmflut in Hamburg 1962 und der Hochwasser-Katastrophe 2002 in Ostdeutschland ging ohne die Bundeswehr gar nichts.

Deren Soldaten schwören, die Demokratie, die Menschen der Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Leben zu verteidigen – und werden oft genug während ihres Eides von Demonstranten gestört und beschimpft. Deutsche Soldaten lassen ihr Leben in Afghanistan (bislang über 50), werden bei Islamisten-Anschlägen zerfetzt, kommen als traumatisierte Krüppel aus diesem Krieg, in dem sie Straßen und Schulen bauen, in dem sie oft genug nicht einmal schwere Waffen einsetzen können, weil sie diese nicht haben (Verteidigungs-, nicht Angriffsarmee) – und niemand interessiert sich in unserem Land dafür. Nicht wirklich.

Nichts ist so uncool

Schon in den Achtzigern wurde empfohlen, dass Soldaten nicht in Uniform nach Hause oder zur Kaserne fahren – weil auf Bahnhöfen immer wieder Soldaten zusammengeprügelt wurden. Nach einem Gerichtsbeschluss dürfen Soldaten „potentielle Mörder“ genannt werden.

In allen westlichen Demokratien sind Soldaten in die Gesellschaft fest integriert. Kein Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland wird so wenig toleriert wie die Bundeswehr. In Nachbarland Frankreich ist man meist auf Soldaten stolz. In Deutschland werden Soldaten in der Regel bestenfalls als eine Art besseres Technisches Hilfswerk akzeptiert.

Ansonsten gilt: Nichts ist in Deutschland so uncool wie Soldat sein.

Dies ist die Geschichte eines coolen Soldaten. Oliver Burghart war 12 Jahre bei der Armee. Die Eltern (Lehrer) seiner ersten festen Freundin nannten ihn deshalb „asozial“ und das war’s dann für die Tochter. Er wird heute noch Jahr für Jahr als Hauptfeldwebel für einige Woche als geschätzter Ausbilder für junge Soldatinnen und Soldaten eingesetzt. Burghart liebt die Bundeswehr. Aber der Träger zweier Einzelkämpfer-Abzeichen liebt auch sein zweites, ganz anderes Leben-– er ist Werbe-Grafiker, Fotograf und Model-Agent.

Wie geht das alles zusammen?

Eigentlich müsstest du schwul sein, oder?“ Eine Frage aus dem fünfstündigen Frühstücksinterview in der Chef-Redaktion, in dem es teilweise beinhart ernst zuging, in dem aber auch viel gelacht wurde. Burghart grinst jetzt: „Ja, eigentlich, aber seh ich aus wie mein Friseur?“ Burghart hat nen Undercut, eine gestylte und gefärbte Strähne fällt ihm in die Stirn. Gern trägt er zerfranste Jeans. Und wenn er mit einem hochbeinigen Model über einen roten Teppich läuft, kommt niemand auf die Idee, dass er mit Tarnfarben im Gesicht und ganz anderer Frisur breitbeinig und mit verschränkten Armen hinterm Kreuz am Lagerfeuer steht – oder sich über eine Schlucht seilt.

Tarnfarbe und Schminke

Oliver Burgart war einst ganz und gar unmännlich, weil „megaunsportlich.“ Er interessierte sich rein für gar nichts, wofür sich andere Jungs interessierten. Kein Fußball („War die Hölle, wie jeder Mannschaftssport“), keine Männlichkeitsspiele, kein Saufen, keine Autos. Noch heute sind im PS-Zahlen und Sportwagen völlig gleichgültig. Dafür interessierten ihn immer zwei Dinge – salopp formuliert: Tarnfarbe und Schminke. Die Armee der Männer und die Schönheit der Frauen.

Titelgeschichte - Oliver Burghart_044 1

Früh übt sich, wer zu den Soldaten will. Piefke Oliver im Alter von 3 mit Schiffchenmütze und Karabiner-Attrappe.

Oliver Burgart leidet nicht etwa an der Dekadenz-Krankheit „Bipolare Störung“. Oliver Burghart genoss eine ,bipolare Erziehung’. Vater Hermann war Industriemeister im Metallbereich, führte einen Gebrauchtmaschinenhandel. Aber er war auch Unteroffizier bei der Bundeswehr und Ausbilder bei der Luftwaffe in Leipheim gewesen. Mutter Angelika war Textildesignerin (Firma Zöpritz, Heidenheim).

Der Vater hatte leider wenig Zeit für die Kinder Oliver und Sylvia (heute 38), war beruflich viel unterwegs. Aber wenn er da war, erzählte er Oliver Geschichten und Geschichtchen von der Bundeswehr. „Tolle, spannende, lustige Geschichten. Ernstere Sachen ließ er natürlich weg. Er erzählte von jungen Männern, die am Anfang „gar nichts konnten und dann über sich hinauswuchsen. Ich konnte gar nicht genug davon bekommen, und als ich 3 Jahre alt war, war klar: Eines Tages geh ich zur Bundeswehr.“

Malen mit der Mutter

In dem kleinen Teilort von Lauingen im Landkreis Dillingen, in der Haidhof-Siedlung, in der Oliver Burghart am 19. November 1971 zur Welt kam, gab es außer Oliver keinen gleichaltrigen Buben. „Daher hatte ich auch keinen Freund. Die Klassenkameraden wohnten alle wo anders. Also habe ich viel Zeit mit meiner Mutter verbracht. Sie zeichnete, malte und bastelte viel mit mir, brachte mir einen Sinn für Muster, Formen, Stoffe bei.“

Aber nach der Schule erklärte der Vater kategorisch: „ Du lernst etwas Gescheites wie ich, bevor du Bildermaler wirst.“ Es ging um konkrete Technik, nicht um schöngeistige Ästhetik. Vater Hermann hatte Sohn Oliver schon früh darauf vorbereitet. Kein Taschengeld, aber Geld fürs Werkstattputzen, Geld für Hilfe jeglicher Art. Bald schon durfte Oliver den Gabelstapler fahren oder einen Lkw auf dem Hof rangieren. So lernte er sehr früh, dass man etwas tun muss, wenn man erfolgreich sein will.

Jeder findet sich in seiner Jugend megacool. Burghart in den Achtzigern.

Jeder findet sich in seiner Jugend megacool. Burghart in den Achtzigern.

Meine Kindheit war ein Paradies. Aber Freunde hatte ich nicht.“ Zunächst. Dann kam der eine – Jochen. Der teilte mit ihm die Freude am Militärischen. Der Vater hatte Oliver (er war 13) im Army-Shop seinen ersten Tarnflecken-Anzug aussuchen lassen. Oliver und Jochen marschierten kilometerweit durchs Gelände, machten Feuer, kochten Suppe. Vater Hermann: „Oliver, die brauchst keine Grundausbildung mehr.“

Tennis und Technik

Doch die Bundeswehr war noch weit. Mittlerweile hatte Oliver Interesse am Sport, war im Turnverein (mit 10 Jahren), „Boden, Barren, Reck, alles mit Leichtathletik.“ Und die Mutter Angelika brachte im Tennisspielen bei. Eine Lehre zum Zerspanungsmechaniker (Fachrichtig Drehtechnik) folgte nach der Schule. Nach dem Lehrbetrieb stand Oliver Burghart ein Jahr an den Maschinen und im Büro in der väterlichen Werkstatt.

Dann gewann die andere Seite die Oberhand – in Form der Grafik. 1989 machte sich Burghart selbständig. Mit einem Commodore C 64 und autodidaktischen Studien ging’s los. Aufkleber für Autos wurde produziert. Doch 1993 schlug die Bundeswehr bei Burghart zu, die er eigentlich im Schatzkästlein der Kindheitserinnerungen als Cowboy-und-Indianer-Spieltruppe seines Vaters begraben hatte.

Absolut brutal

Damals war Wehrdienst verpflichtend. 12 Monate Grundwehrdienst. „Es war absolut brutal. Ich war 22, körperlich ein Schlaffhaufen, hatte schon ewig keinen Sport mehr gemacht, hatte Asthma und schleppte ein Inhalierungsgerät mit mir herum. Es kotzte mich an, dass Jüngere und schlimmer noch, viel Ältere immer an mir vorbeizogen.“ Aber: „Bei der Bundeswehr habe ich das Wichtigste für mein Leben gelernt: Alles findet im Kopf statt.“

Und so warf Oliver Burghart eines Morgens sein Asthma-Spray buchstäblich auf den Acker: „Nie mehr will ich das benutzen.“ Natürlich war es brutal. Aber er schaffte es. „Das begeisterte mich absolut. Und mich begeisterte auch das ganze Leben als Soldat zunehmend. Es ist ein Klischee, aber wie alle Klischee hat auch dieses einen realen Kern: Die Armee diszipliniert dich, du lernst, dich zu strukturieren. Übrigens ohne ein tumber Befehlsausführer zu werden. Und du lernst hier auch, extrem wichtig, dich in eine Gruppe einzufügen, in der Verlässlichkeit das oberste Gebot ist.“

Bundeswehr als Berufung

Kameradschaft ist eben mehr als Kumpanei an Party-Abenden im zivilen Leben. Aber schon der Begriff „Kameradschaft“ treibt politisch korrekten Gutmenschen den Schweiß auf die Stirn. Und das Wort „Verlässlichkeit“ wird in einer Smartphone-Welt mit ihren hedonistischen Unverbindlichkeiten bestenfalls noch mit ,Termintreue’ im Job verwechselt.

Oliver Burghart war rundum begeistert. „Das will ich machen.“ Am Ende war er 12 Jahre bei der Bundeswehr. Er wurde Fernmeldetechniker (Richtfunk), besuchte die Unteroffziersschule, um Ausbilder zu werden. Er machte die Einzelkämpfer-Ausbildung, was für eine Fernmelde-Einheit völlig unüblich war. Er besuchte die Infanterieschule der Bundeswehr, machte die Prüfung zum Ausbilder für Einzelkämpfer EK II. Als ältester Teilnehmer (28) wurde er Lehrgangsbester. Ja klar, heute mit 43, bei minus 14,4 Grad drei Tage ohne essen und trinken im Gelände sein, mit nacktem Oberkörper einen Holzklotz ewig weit auf dem Rücken schleppen – das wäre heute nicht mehr so leicht zu bewerkstelligen, dennoch der Wille ist das, was zählt und somit auch immer noch machbar.“

Burghart 2015 als Ausbilder der Rekruten bei der Bundeswehr auf dem Standortübungsplatz Dillingen.

Burghart 2015 als Ausbilder der Rekruten bei der Bundeswehr auf dem Standortübungsplatz Dillingen.

Batterie von Abzeichen

Im Lauf der Jahre kam bis heute durch den Willen heute eine Batterie von Auszeichnungen dazu, unter anderem: Tschechisches Fallschirmspringer-Abzeichen, Zwei-Stunden-Schwimmabzeichen, Dänisches Kampfschwimmer-Abzeichen, Europäisches Polizei-Leistungsabzeichen. Alles freiwillig gemacht.

Als Oliver Burghart die Bundeswehr verließ, war er Kommunikationselektroniker (mit Abschluss bei Industrie- und Handelskammer) und damit Funk- und Fernsehtechniker. Meisterprüfung mit 1,8 bestanden, Fachhochschulreife erlangt. Zudem hatte es ihm die Bundeswehr ermöglicht, an der Fach-hochschule Esslingen Kommunikationsdesign (Medien und Grafik) zu studieren – und mit Auszeichnung zu bestehen.

Er wurde Art Director einer Werbeagentur, dann Creative Director bei einer anderen, 2011 machte er sich selbständig (Agentur Dolz & Burghart).

Model Of The World

Schon 2001 hatte er die Lizenz in Deutschland für „Model Of The World“ erworben – das war lange vor Heidi Klums TV-Model-Show. „Jetzt kam mir zugute, was ich einst von der Mutter gelernt hatte und dass ich mich im Alter von 15 mit den Mädels übers Schminken unterhalten konnte.“

2005 in Regenburg. Die Teilnehmerinnen aus den Bundesländern von „Model of Universe Germany“ mit Model-Agent Oliver Burghart und dem damaligen OB Hans Schaidinger.

2005 in Regenburg. Die Teilnehmerinnen aus den Bundesländern von „Model of Universe Germany“ mit Model-Agent Oliver Burghart und dem damaligen OB Hans Schaidinger.

Der Zerspanungsmechaniker, der Fernmeldetechniker, der Kommunikationselektroniker, der Grafik-Designer, der Mann mit Meister-Titel und Diplom, der Fotograf konnte nun das Laufen auf dem Armee-Gelände mit der Welt des Laufstegs tauschen.

Er war mit Model-Trupps auf der ganzen Welt unterwegs, unter anderem auch in Ghana und Simbabwe.

Oliver Burgart war einst mit „Misses Bayern“ verheiratet, später mit dem Model & Playmate Mia Gray. Er ist Vater von 3 Kindern. Heute lebt er mit einer Krankenschwester, mit Ramona Bernhard zusammen. Die arbeitet in der Neurochirurgie in Ulm mit Schwerstkranken und absolviert gerade am Klinikum in Ulm eine Fortbildung. Oliver Burgart hat sie in Modeschauen und damit in die Welt der Models eingeführt („Playboy“-Ausgabe 2015, GFM Heft 43).

Drei Playmates entdeckt

Oliver Burgart hat drei „Playmates des Jahres“ entdeckt. Heute ist er Agent und Manager von Models und Künstlern der Unterhaltungsbranche. Seine Agentur in Stuttgart, die er mit einem Partner führt, liefert zudem das ganze Programm, das Werbe-Agenturen eben anbieten. Das Ganze klingt supertoll. Dass diese Welt aber auch ein beinhartes Geschäft ist, ist eine andere Geschichte.

Vielleicht ist es deshalb so, dass Oliver Burghart immer wieder dem Ruf der Bundeswehr für ein paar Wochen folgt. Das Leben als Soldat als Ausgleich. Reale Gefechtsübungen statt die permanenten Scheingefechte in der mördermäßigen Welt des Showbusiness, in der Welt des schönen Scheins.

Burghart heute: „Wen in der zivilen Welt gewisse Grundmuster des Verhaltens im Umgang miteinander ein bisschen wie bei der Bundeswehr wären, wäre diese Gesellschaft vielleicht ein bisschen besserer Ort.“

Vom Eid überzeugt

Ja, auch wenn ihm bei einer Nato-Übung einst ein Franzose vor die Füße spuckte und „Heil Hitler“ rief; ja, auch wenn ihn einst die Eltern seiner ersten große Liebe „asozial“ nannten; ja, auch wenn er sich bewusst ist, dass große Teile der Gesellschaft Bundeswehr und Nato am Liebsten aufgelöst sähen, weil man ja bekanntlich alle Konflikte durch friedliche Diskussionen lösen kann, steht Oliver Burghart noch heute völlig überzeugt zu seinem Eid: „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.“

H.Bredl

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