Wenn der Mensch garantiert eins in seinem Leben nicht vergisst, dann ist es eine Demütigung. Das hat er mit den Elefanten gemeinsam. Die wissen auch Jahre später noch, wer ihnen einst auf den Rüssel ging. Schafe können sich bis zu 50 Schafsgesichter merken – allerdings nur zwei Jahre lang. Solche extrem wichtigen Dinge kann man bei uns in „Fakten, die keiner wissen will“ nachlesen, einer der meistgelesenen Seiten in unserem Magazin.
Der Mensch ist jedenfalls viel weiter als die Elefanten und die Schafe. Sein Leben lang merkt er sich ein Schafsgesicht, das ihn zum Idioten gemacht hat. Zum Beispiel einen Lehrer. Lehrer gilt übrigens nicht nur als ein Beruf, sondern auch als eine Diagnose. Aber von den Demütigungen, die viele Lehrer tagtäglich ertragen müssen – es sei denn, sie unterrichten an Privatschulen -, soll hier nicht die Rede sein.
Gipfel der Erniedrigung
Sondern von denen, die in unserem Land die Ärmsten der Armen, die Schüler, tagtäglich ertragen müssen. Und einmal im Jahr ist der Gipfel der Erniedrigung erreicht – bei den Bundesjugendspielen. Vor Lehrern und Mitschülern muss man zeigen, was man im Laufen und Springen etc. drauf hat. Da läuft es dann wie sonst auch, etwa in Mathematik und Deutsch oder im Sport (hieß früher mal „Turnunterricht“). Die einen haben’s drauf, die anderen halt nicht.
Für eine Mutter aus Konstanz ist aber durch Bujus (Bundesjugendspiele), die es seit 64 Jahren gibt, der Gipfel der Unzumutbarkeit für ihr Söhnchen erreicht. Als der holde Knabe weinend Hause kam, weil er nur ne „Teilnehmerurkunde“, aber keine ,Bundesverdienstmedaille’ für besondere athletische Höchstleistungen bekommen hatte, brach der Mutter das Herz. Sie twitterte, dass sie die Abschaffung der Bujus fordere. Mit einer Twitter-Kurznachricht können jeder und jede wie bei Facebook der Welt Fakten mitteilen, die die Welt garantiert interessieren (etwa „Fühle mich scheiße, mein Kühlschrank ist leer.“)
Adipöse Bälger
Die besorgte Mutter erntete daraufhin einen Shitsorm. Kostprobe: „Was, Bundesjugendspiele sollen Demütigung sein? ALTER! Deutschland, Du verweichlichter Haufen von Waschlappen mit viel zu adipösen Bälgern.“ Adipositas bedeutet Fettleibigkeit. Zwar sind die Mexikaner das fetteste Volk der Welt, die Deutschen sind ihnen aber in der Aufholjagd dicht auf den Fersen. Und das fängt schon im Kindergarten an. Und es geht dann in der Schule weiter.
Am Ende der Grundschule können viele Kinder immer noch nicht schwimmen. Im Kindergarten beherrschen sie oft die einfachsten motorischen Koordinationsübungen nicht. Sie können keinen Bleistift richtig halten, greifen erst bei Wiederholung richtig ein Glas, können über keinen Balken oder eine Wippe laufen. Ganz schwierig wird’s bei vielen beim Sackhüpfen…
Mit Nutella Mund waschen
Und später Bujus, Bundesjugendspiele? Wie twitterte ein Junge? „ Wenn ich das Wort nur sagen muss, wasche ich mir schon den Mund mit Nutella aus.“ Recht hat er. Wahrscheinlich gehört dieser „Lukas“ zu einer Familie, in der jeder sein eigenes Nutella-Glas hat – auf dem Sofa vorm Fernseher. Jedenfalls bekam die Konstanzer Kampf-Mutter auch viel Zustimmung – und wird jetzt an die Bundesfamilienministerin eine Petition (Bittschrift) zur Abschaffung der Bundesjugendspiele richten.
Auch Mutter kann heutzutage eine Diagnose sein. Man denkt da an „Helikoptermütter.“ Insofern ist das Petitionsersuchen völlig normal krank – in Zeiten, da ein Sozialgericht darüber entscheiden muss, ob das Kind einer Hartz-IV-Mutter mehr Zuschuss für einen Schulranzen bekommt. Weil eine bestimmte Summe eben nur für ein einfachen Schulranzen reicht. Daher, so der Anwalt der Mutter, könne das Kind diskriminiert, also gedemütigt werden.
Ich erinnere mich an eine Mega-Demütigung bei den BuJus. Ohnehin schon schwer diskriminiert, weil mir Fußball so was von egal war, wurde meine jugendliche Seele final gestört, nachdem ich im Alter von 12 oder 13 bei den BuJus 4,05 Meter gesprungen war. Ich war bollenstolz, vor allem weil Ruth, auf die ich stand, mir zugelächelt hatte. Dann kam Markus (die Kinder hießen damals noch nicht Lele, Lea oder Kevin oder Marc) – und sprang weiter! Nun lächelte Ruth ihm zu, stärker. Danach stand ich kurz vor der Selbstentleibung! Da hätt ich aber dann nicht mitbekommen, dass Ruth später sich von Markus verabschiedete – weil Fred ein guter Fußballer war und schon ein Moped hatte. Ich kaufte mir dann ein Motorrad.
Wotan