GERN GESCHEHEN

Zwei Mal bezahlen, einmal Freude bereiten!
Stefanie Winter serviert ein „Gern geschehen!“.

Mit der Aktion “Gern geschehen!” wurde ein Angebot geschaffen für jeden, der mal knapp bei Kasse ist – vom Schüler bis zum Rentner – hilfsbedürftig ist oder sich selbst am Projekt erfreuen möchte.

Auf einer kleinen blauen Decke hat er sie ausgebreitet – bunte Armbänder, aus Wolle geflochten. Die große Plastiktragetasche, prall voll mit Wollknäulen aller Farben, dient ihm als Sitz. Daneben sein Rucksack mit seinen Habseligkeiten. Mit den Bändern verdient sich Erich Haugg ein paar Euro am Tag. Fast jeden Tag sitzt er in der Aalener Innenstadt vor der Tourist-Information. Nachts schläft der 65-Jährige im Wald. Die Unterkünfte für die Obdachlosen mag er nicht. Dort würden die „Suffköpfe“ schlafen, sagt er und lacht. Seit 40 Jahren trinke er keinen Alkohol mehr. Sein Blick ist offen, seine Gesichtszüge freundlich. Trotz seiner prekären Lebenssituation wirkt der Obdachlose gelassen. Im Jahr 2010 habe er seine Frau bei einem schweren Autounfall verloren. Danach ging es Schlag auf Schlag. Nur ein Jahr nach dieser schweren Prüfung verliert er seine Arbeitsstelle, 2012 folgt die Diagnose: Knochenkrebs. Sieben Mal sei er schon operiert worden.

Erich Haugg ist ein Charmeur, seine freundliche Art kommt gut an. Auch bei den Angestellten der Touristinformation. Er hält mit ihnen ein Schwätzchen und macht mit ihnen auch „Feierabend“. Die Damen waren es auch die Erich mit in das Café Podium nahmen und sagten: „Schau mal Erich, da hängen Kässpätzle für Dich am Brettle.“ Mittlerweile hat Erich schon acht mal im Podium gegessen. Gebe es die Aktion „Gern Geschehen!“ nicht, hätte er oft keine warme Malzeit.

Die Idee hinter der Aktion war, eben für alle Hilfsbedürftigen – vom Schüler bis zum Rentner – ein Angebot zu schaffen, durch das sie satt werden oder ihren Durst stillen können, ohne dafür bezahlen zu müssen. In Bäckereien, Metzgereien, und Cafés in Aalen und Wasseralfingen wurde so die Möglichkeit geschaffen, dass ein Kunde beispielsweise zwei Brezeln beim Bäcker bezahlt und nur eine davon mitnimmt. Der Kassenbon wird an ein Brett mit Haken gehängt, welches sichtbar montiert ist, sodass die vorübergehenden Passanten oder Kunden sehen können, ob ein „Gern geschehen!“ ausgegeben wurde. Der Bon kann eingelöst werden und man erhält dafür die Brezel. Ein Stück Teilhabe und Freude für den Spendierenden und den Beschenkten sowie für die Mitarbeiter der Geschäfte.

Für Stefanie Winter, die Geschäftsführerin vom Café Podium war eins sofort klar: „Wir sind dabei!“ Das beliebte Café in der Aalener Innenstadt gehörte zu den ersten Teilnehmern. Am Tag werden zwischen fünf bis acht Bons ausgegeben. Das Brett hängt meist voller Zettel. Und das steht im Podium auch vor der Eingangstür. Das erleichtere das Wegnehmen, es sei anonymer. Die Frage, ob die Nutzer nicht die anderen Gäste stören, weist sie zurück. Berührungsängste gebe es keine. Und wäre ein echter „Härtefall“ dabei, so gebe es immer noch die Möglichkeit einen Kaffee oder eben ein Essen mit auf die Straße zu geben. Den Initiatoren ist Stefanie Winter dankbar. So viel Engagement verdiene Anerkennung.

Und dieses Engagement kommt aus der Vesperkirche in der Magdalenenkirche Wasseralfingen. Seit 1997 findet sie jährlich vier Wochen lang in den Monaten Februar und März statt. Dann kam die Idee: Wie wäre es, wenn die Vesperkirchengäste und alle Menschen im Stadtgebiet Wasseralfingen und Aalen ganzjährig die Möglichkeit hätten, sich durch eine kleine Gabe gegenseitig eine extra Freude zu bereiten. Wenn die Gesellschaft einen Gedankenanstoß im Alltag erhält, um an „seinen Nächsten“ zu denken oder einfach jemanden eine Freude machen kann. Den Initiatoren geht es vor allem darum, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, Geben und Nehmen im Alltag wieder in den Vordergrund zu stellen und Menschen ohne Vorurteile zusammenzubringen. Es werden dadurch neue Verbindungen geschaffen und das bürgerschaftliche Engagement in der Stadt wird gestärkt.

Corinna Pavel als Mitverantwortliche im Vesperkirchen-Leitungsteam und Ideengeberin Daniela Mühlbäck machten sich mit Unterstützung von Pfarrer Quast und des gesamten Leitungsteams der Wasseralfinger Vesper kirche, nach Zustimmung des Kirchengemein derates, Mitte November auf den Weg, „Gern geschehen!“ zum Leben zu erwecken und Partner aus dem Handel zu finden. Mittlerweile sind es 19 Teilnehmer. Die Grafikarbeiten übernahm das Grafikbüro „buero zwo sieben“ in Aalen. Für den Druck diverser Medien erklärte sich die Druckerei Opferkuch in Ellwangen bereit. Die Organisation für das Projekt übernahm Daniela Mühlbäck mit ihrem Veranstaltungsmanagementbüro „produktionsbüro mühlbäck“. Jeder trägt mit seinem Können zum Gelingen der Aktion bei. Vereint und alle Kräfte gebündelt, wirkt der gute Gedanke schon weit über die Stadtgrenze hinaus. Auch in der Stadt Schwäbisch Gmünd wurde bereits Interesse bekundet diese Aktion umzusetzen.

Die Aktion passe gut zur Philosophie des Restaurants Rosemarie:„Schenke Spaß und Freude jeden Tag, sei ehrlich allen gegenüber, und sei immer du selbst”, so Karen Kronwald (links).

„Woran wir arbeiten müssen, ist der Bekanntheitsgrad“, meint Karen Kronwald. Im Rosemarie, Aalens Bio-Restaurant, hängt das Brettchen voller Kassenbons. Es bestünde eine Hemmschwelle, so Kronwald. Nicht im Geben, eher im Nehmen. Die Aktion findet sie klasse. Und das passe auch gut zur Philosophie des Unternehmens: „Schenke Spaß und Freude jeden Tag, sei ehrlich allen gegenüber, und sei immer du selbst.“ Claudia Schuster hingegen freut sich über viele Abnehmer. Bei ihr in der Metzgerei hänge immer ein bestimmter Geldbetrag am Brett, meist um die fünf Euro pro Kassenbon. In Wasseralfingen habe sich das schnell herumgesprochen und es würden auch oft Menschen kommen, die sie nicht kenne. Dass sie ihren Beitrag für mehr Solidarität in der Stadt leistet, ist für die Unternehmerin selbstverständlich. Sie freue sich, wenn Gutes getan wird. Nur hierüber dürfe man sprechen. Damit noch mehr daran teilhaben können.

 

TEILNEHMER DER AKTION „GERN GESCHEHEN!“

In Wasseralfingen: Metzgerei Vetter (Bismarckstr. 92), Metzgerei Fuchsbau (Spieselstraße 8), Stadtcafé Nagler (Karlsplatz 13), Bäckerei Braunger (Karlstr. 43), Bäckerei Mack (Wilhelmstr. 11), Metzgerei Schuster (Abtsgmünder Str. 4)

In Aalen: Feinkost Amorelli (An der Stadtkirche 11), Café Schieber (Spritzenhausplatz 24), Bäckerei Mack (Reichsstädter Markt), Cafe Samocca (Friedhofstr. 11), Café Podium (Marktplatz 4), Rosmarie (Reichsstädterstr. 24), Cafe Dannenmann (Alter Kirchplatz 8), Frapé (Julius-Bausch-Str. 32), Metzgerei Schuster (Marktplatz 13a), Bäckerei Walter (Marktplatz 22), Kino am Kocher (Turnstraße 15), Evangelisches Gemeindehaus (Friedhofstraße 8) Aalener Freibäder/ Hallenbad der SWA

Text: Susanne Rötter // Fotos: Andreas Wegelin

Daniela Mühlbäck, Stefanie Winter und Satyama Nowotny freuen sich über den guten Anklang der Aktion.

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