Er gilt als Vertreter der Gran Turismo-Klasse. Doch der Panamera von Porsche setzte hier nicht nur neue Maßstäbe – er ist schlicht eine Klasse für sich. Er ist Einer wie Keiner. GFM fuhr den Panamera Turbo in der Executive Langversion.
Panamera – das klingt nach der Panamericana, der man den Beinamen „Traumstraße der Welt“ gegeben hat. Das Schnellstraßen-System durchquert den gesamten amerikanischen Kontinent. Aber nur indirekt hat der Panamera mit den 48.000 Kilometern der berühmtesten Transit-Strecke des Planeten zu tun. Wie die legendäre Sportwagen-Baureihe „Carrera“ ist der Name der Oberklassen-Limousine vom mexikanischen Langstreckenrennen „Carrera Panamerica“ abgeleitet.
Der Panamera ist für viele ein Traumwagen, der sich seit seiner Vorstellung auf der Messe Auto Shanghai 2009 auf den Traumstraßen aller Kontinente findet. Auf der Auto Shanghai 2013 wurde die Porsche Panamera-Langversion Executive vorgestellt, dessen Turbo-Variante uns vom Porsche-Zentrum Schwäbisch Gmünd – eines von vier Porsche Zentren der Hahn Sportwagen Gruppe – für ein Fotoshooting und ausführliche Testwagen zur Verfügung gestellt wurde.
Panamera als Passion
In Ausgabe 11 haben wir den Panamera 4S näher unter die Lupe genommen. Damals hieß es im Vorspann: „Mit eleganter Wucht kommt er daher – Einer wie Keiner. Ganz bewusst wählen wir diese Zeile als Headline. Denn Porsches Panamera ist der sportliche Frontalangriff in der Gran Turismo-Klasse.“ Damals wie heute können wir sagen: „Selten war Fahren so funny.“
Und heute wie damals sagen wir: Unsere Rubrik FASZINATION FAHRZEUG ist für Leser mit Leidenschaft für tolle Autos geschrieben. Egal, ob sie sich eine fahrende Eigentumswohnung locker leisten können oder ob sie davon träumen, eines Tages einen gebrauchten Panamera sich in die Garage stellen zu können. Und wenn das eine Dekade dauern sollte. So kann ein Panamera zur Passion werden.
Für die Front der politisch (Überöko-)Korrekten sei angemerkt:
Es gibt auch einen Panama S E-Hybrid mit einem 70 Kilogramm schweren Nickel-Metallhydrid-Akkumulator unter dem Kofferraumboden. Systemleistung (Elektromaschine + Verbrennungsmotor) 416 PS, Vmax 270 km/h. Der verbraucht 3,1 Liter im Mittel (Werksangabe) und gehört zur Effizienzklass A+.
Kundendienst nur alle 60.000 km
In dieser Story reden wir aber über den Panamera Turbo Executive, mit einem 520 PS starken V8 Bi Turbo-Motor unter der Aluminiumhaube, der die 2 Tonnen Porsche bis zu 305 km/h vorantreibt. Verbrauch laut Werk 10,3 l im Mittel. Wir verbrauchten auf über 700 Kilometern im Schnitt 13,6 Liter, wobei sehr viel stockender Stadtverkehr dabei war und auf der Autobahn immer wieder der Motor zeigen durfte, dass er den Fahrer in den Sitz zu pressen vermag. Unser Verbrauchswert ist sensationell – verglichen mit Leistung und Gewicht des Wagens.
Übrigens: Beim Porsche Panamera Turbo Executive ist eine große Wartung nur alle 60.000 km (oder alle vier Jahre) fällig. Alle 90.000 Kilometer oder alle 6 Jahre sind die Zündkerzen zu ersetzen. Zwischenwartungen (Kleiner Kundendienst) sind alle 30.000 Kilometer (oder alle zwei Jahre) erforderlich. Sportwagen bzw. sportive Luxus-Limousinen unterscheiden sich in Sachen Wartung also keineswegs, wie man oft glauben möchte, von Fahrzeugen anderer Marktsegmente im Automobilsektor.
30.000 Siege
30.000 Siege auf allen Renn-Strecken dieser Welt haben Porsche-Autos er-fahren. Porsche ist nach wie vor die rentabelste Automarke (Umsatzrendite) der Welt und bewahrte (zusammen mit AUDI) den VW-Konzern, zu dem Porsche heute gehört, im letzten Geschäftsjahr vor negativen Zahlen. Siege und Renditen kommen nicht ungefähr. Das geht nur durch permanente Innovation.
Als Porsche immer weniger Sportwagen baute, wurde der Geländewagen Cayenne geschaffen. Allen Unkenrufen zum Trotz wurde er ein Verkaufsschlager und setzte Maßstäbe in der SUV-Klasse. Hämisch wurde nicht selten die Ankündigung kommentiert, dass die Stuttgarter Edel-Schmiede einen Gran Turismo auf den Markt bringen wolle. Allein in den ersten 9 Monaten nach Markteinführung übertraf der Panamera, anfänglich noch mit den Cayenne-Motoren bestückt, bereits die Verkaufserwartungen (20.000 Exemplare weltweit) für das gesamte Produktionsjahr.
Echte Innovationen
Und er setzte Maßstäbe in dieser Klasse: Unter anderem ein Doppelkupplungsgetriebe (PDK), das erste Start-Stop-System in Verbindung mit einem Automatik-Getriebe, die aktive Aerodynamik (ausfahrender, verstellbarer Heckspoiler) und das erste Sport Chrono Paket, das auf Tastendruck unter anderem Motor, Fahrwerk und Getriebe sportlicher abstimmt. All das (bis auf den Spoiler) ist heute Standard bei vergleichbaren Autos.
Eigentlich unvergleichlich
Mehr noch: Der Panamera ist eigentlich unvergleichlich. Ihn der Gran Turismo-Klasse zuzuordnen ist eher der Notwendigkeit einer Kategorisierung überhaupt geschuldet.
Der Panamera ist ein Panamera.
Das ist nicht tautologisch. Das heißt schlicht: Der Panamera steht nur für sich selbst. Er ist ein Klasse für sich. Er ist die Inkarnation einer sportlichen Reise-Limousine. Genauer: Er ist ein Reise-Sportwagen. Er ist ein astreiner Porsche – auch wenn das vielleicht die Gemeinde der eingefleischten 911er-Fans das nicht so gerne hören mag.
Ja, es gibt auch andere hochmotorisierte Reise-Limousinen. Aber niemand würde auf die Idee kommen einen AUDI A8, einen S-Klasse-Mercedes oder einen Jaguar ernsthaft mit einem Panamera vergleichen zu wollen. Am nächsten kommt ihm noch das M6 Gran Coupé von BMW (GFM-Ausgabe 38). Aber das ist wesentlich nervöser, man möchte permanent am Steuer sitzen und im Fonds ist es eigentlich zu eng für bequeme Businessreisen.
Business im Sportwagen
Im Panamera geht es ruhiger, irgendwie gediegener an. Im Panamera lässt man sich auch gerne mal chauffieren. In der Executive-Version ohnehin. Sie wurde extra für Geschäftsleute geschaffen, die im Auto auch arbeiten möchten (er ist 15 Zentimeter länger als die Normalversion). Gut, das kann man in der S-Klasse auch. Aber dort weiß man, dass man in keinem Sportwagen sitzt und verspürt nicht immer wieder den Drang, den Chauffeur mal zu chauffieren. Das PDK-Getriebe ist so optimal abgestimmt, dass keine Limousinen-Trägheit aufkommt – aber auch keine Hypernervosität.
Das adaptive Fahrwerk mit Aluminium-Doppelquerlenker-Achse vorne und Aluminium-Mehrlenker-Hinterachse mit Fahrschemel ist das beste, was wir in dieser Leistungsklasse je testen konnten. Es gibt keinen besseren Kompromiss zwischen Komfort und Sportlichkeit. Auf der Strecke zwischen Adelstetten und Maitis konnten wir uns im Wechsel zwischen Kurven und Geraden ebenso davon überzeugen wie in Haarnadelkurven im Schwarzwald oder auf ausgesprochenen Holperstrecken der Schwäbischen Alb.
Und bei freier Autobahn ist es fast schon ,obszön’, dem Panamera die wuchtige Eleganz im Dahingleiten zu nehmen und ihm die Sporen zu geben. Tempo 180 wirkt wie 80, 240 wie 160, 280 wie 200. In Nullkommanichts hat man aus 120 bis auf weit über 200 beschleunigt. Es bleibt dabei keine Zeit, auf den Sekundenzeiger der (optionalen) Porsche-Uhr auf dem Armaturen-Brett zu schauen. Oder (zuvor in den Kurven des Schwarzwalds) die Querbeschleunigung in einer der vielen Anzeigen zum Car-Status abzulesen. Ja, auch das wird im Info-Paket geboten.
Noch etwas zum Platzangebot. 432 l Volumen im Gepäckraum reichen für 2 kleine und zwei große Koffer. Und wenn man zu zweit in den Urlaub führt, sind 1385 l (bei umgeklappten Sitzen) absolut ausreichend. Ein Panamera ist kein Roadster (wo es gar keinen Kofferraum gibt). Aber auch kein Kombi. Von einer Kombi-Variante wird allerdings gemunkelt – denn voraussichtlich in 2 Jahren kommt die zweite Generation der Panamera-‚Klasse’.
Ungeheurer Spaß
Hoffentlich bleibt dann die sensationell schöne – und oft als exzellentes Interieur-Design hymnisch gelobte – Mittelkonsole der jetzigen Generation. In der gibt es einige Knöpfe, die den Fahrspaß ungeheuer erhöhen. Mit der Sport- bzw. der Sport Plus-Taste (optional) wird die Gaspedal-Kennlinie geändert, werden die Komfort-Funktionen ausgeblendet. Man spürt wieder Lastwechsel-Reaktionen. Und der Knopf mit dem Auspuff-Symbol? Mit dem bekommt man einen dumpferen, sonoren Sound.
Der Panamera ist nun ganz und gar ein Porsche!
Der Schlüssel-Gag
Ganz und gar Porsche ist ein kleines, aber historisch bedeutsames Detail. Der Fahrer trägt den Hauptschlüssel bei sich (Keyless Go). Es fehlt aber eine Start-Stopp-Taste für die Zündung, heute häufig ein Serien-Detail vor allem in der gehobenen Fahrzeug-Klasse. Alle Porsches hatten stets den Zündschlüssel links vom Lenkrad. Das kommt aus dem Rennsport. Während man links startet, hat man die Rechte frei, um den ersten Gang einzulegen. Das spart Sekunden-Zeit! Der Panamera hat statt `nem Starterknopf einen, wenn man so will, zweiten ,Zündschlüssel’ – natürlich links vom Lenkrad. Nach rechts drehen – der Sound ist da und los geht’s.
GFM-TT Fotos: Thomas Zehnder