DAS LESENLERNEN EIN KINDERSPIEL

Christine Gold hat Kunst studiert, ist gelernte Ergotherapeutin im Bereich Legasthenie-Therapie, Montessori-Pädagogin und Mutter von drei Kindern. Nebenbei arbeitet sie freiberuflich im Limesmuseum in Aalen. Seit Februar 2018 ist sie selbstständig und gestaltet Produkte für Kinder.

„Tierisch leicht Lesen lernen, dann lesen wie wild“, nach diesem Motto wurde die Tierschrift von animalingo® gestaltet, selbstverständlich von A bis Z. Tiere in Form von Buchstaben, die lustige Abenteuer erleben, laden dazu ein, die Welt der Schrift zu erkunden. Nun soll eine App spielerisch und mit feinsinnigem Humor die Kids ans Lesen heranführen.

Neurologisch betrachtet ist Lesen lernen extrem anspruchsvoll und anfangs weder lustig noch leicht. Diese Erfahrung machteChristine Gold, heute Mutter von drei Kindern, selbst. Als sie in der ersten Klasse war, schlug sie im Deutschunterricht ihr Buch auf. „Lesen lernen mit Hapakuk“, hieß es damals. Unten links sei Hapakuk dargestellt gewesen und daneben stand: Hapakuk ist klein. Und rechts war er noch einmal abgebildet, dort zu lesen war: Hapakuk ist groß. Sie habe sich das gut merken können, auch die Wortform, und sei glücklich nach Hause gehüpft. Sie dachte: „Schule schaffe ich.“ Doch nur wenige Wochen später sei ihr klar geworden, dass es so nicht funktioniert. Sie könne sich nicht die Wörter als Form merken, sondern müsse die einzelnen Buchstaben lernen. Doch sie sei ein sehr verträumtes Kind gewesen und habe durch ihre Verträumtheit eben diese Phase verpasst. Frustration war die Folge. Sie sei dann fast nicht mehr reingekommen ins Lesenlernen, das Zeitfenster hatte sich bereits geschlossen. An einem schönen Nachmittag saß Christine Gold, mittlerweile selbst Mutter, über einem Erstlingslesebuch und übte mit ihrer Tochter Helena das Lesen und wieder wurde ihr bewusst, wie schwierig dieser Prozess ist. Da kam ihr eine Idee: Sie begann kurzerhand Tierbuchstaben zu zeichnen, die den Kindern ein besseres Verständnis vermitteln sollten. Und nach jahrelanger Arbeit entstand die Marke animalingo®.

Christine Gold hat Kunst studiert, ist gelernte Ergotherapeutin
im Bereich Legasthenie-Therapie, Montessori-Pädagogin
und Mutter von drei Kindern.

Spielerisch und mit feinsinnigem Humor sollen durch sie Kinder an das Lesen herangeführt werden. Wie man die Motivation befeuert, weiß Christine Gold als Montessori-Pädagogin sehr gut. Maria Montessori hat bereits vor 100 Jahren beobachtet, wie Kinder lernen und so eine Lernumgebung geschaffen, die
nicht nur zum Lernen anregt, sondern eine Selbstkontrolle beinhaltet. Mit dieser Selbstkontrolle können sich Kinder weitgehend selbstständig ihre Umgebung zugänglich machen. Ihr Leitgedanke dabei war: „Hilf mir, es selbst zu tun“. Und dieser Gedanke ist ein wichtiger Grundbaustein der Marke animalingo®. Während ihrer Praktika an den Montessori Schulen durfte Christine Gold erfahren, dass man Kinder tatsächlich so unterrichten kann, dass die Freude am Lernen nie vergeht. Und dass die intrinsische Motivation der Kinder durch das richtige Lernumfeld so angesprochen wird, dass sie wirklich mit Freude und in einer tiefen Konzentration lernen und zudem leistungsfähig sind. Auch ihr eigenes Kind besuchte eine Schule mit Montessoriprofil. Beide, Mutter und Sohn, seien mit diesem Konzept sehr zufrieden gewesen.

Während ihrer Ausbildung zur Montessori-Pädagogin durfte sie mit dem Material arbeiten, mit dem die Kinder dort Lesen lernen. Allerdings habe ihr bei dieser Lernart die Kontrolle gefehlt. Abhilfe schaffte Christine Gold mit einer von ihr entwickelten, genormten Schrift, die sich selbst erklärt. Da Tiere auf Kinder wie ein Magnet wirken, war schnell klar, dass für jeden Buchstaben ein Tier gefunden werde musste. Zudem sollten die Kinder diese Tiere kennen. Als Beispiel führt sie den Buchstaben „A“ an. Wenn man nun das Bild eines Affen zu einem „A“ formt und mit den restlichen Buchstaben des Alphabets ähnlich verfährt, würde man so etwas wie eine Anlauttabelle erhalten. Doch eine Anlauttabelle gehe nur über das Gehör. Verbinde man den Buchstaben mit Bildern, so habe man zusätzlich auch eine optische Kontrolle. Auf diesem Weg würden die Kinder so leicht lernen, dass sie die Freude am Lernprozess nicht
verlieren. Christine Gold fertigte Memokarten nach diesem Konzept und teste sie mit ihren eigenen Kindern und war überrascht, wie gut es funktioniert. So entstand der Gedanke aus dieser Idee mehr zu machen als ein Kartenspiel. Die Digitalisierung biete dabei die besten Möglichkeiten, um sich Dinge selbst beizubringen. Eine App musste her! Es gebe zwar bereits schon gute Lernapps, so Christine Gold, doch bei den meisten vermisse sie den Wiedererkennungswert, vom Kleinbuchstaben zum Großbuchstaben. Dies sei wichtig, damit die Kids das auch optisch zusammenbringen. Keine der Apps, die bereits am Markt sind, hätten eine genormte Schrift. Es gebe zwar Apps, die mit Tierbildern arbeiten, doch ohne Norm. Also entwickelte Christine Gold eine Schrift und die dazugehörigen Typografien und ließ dieses Design dann auch nach Fertigstellung schützen. Christine Gold schaffte sich dadurch ein Alleinstellungsmerkmal. Und weil ihr Konzept so gut ist, erhielt die junge Unternehmerin dafür einen Zuschuss.

Das Förderprogramm DCF der MFG Baden-Württemberg unterstützt Entwickler von interaktiven und crossmedialen digitalen Inhalten wie Games, Apps, VR- oder AR-Anwendungen. Die Förderung kann sich auf die Konzept- und Prototyp-Entwicklung sowie auf Produktion und Vertrieb beziehen. Das Programm wird finanziert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Die MFG Medien- und Filmgesellschaft ist eine Einrichtung des Landes Baden-Württemberg und des Südwestrundfunks.

Im Juli vergangenen Jahres wurde der Zuschuss bewilligt, dann ging es Schlag auf Schlag: Entwickler mussten gefunden, das Sounddesign erstellt werden. Den Sound zur App komponierte kein anderer als Axel Nagel. Er lieferte in nur drei Tagen die Hintergrundmusik zur App. Eine Aalener Grafikerin erstelle die Animationen. Im September wird die App bereits in Österreich veröffentlich und einem Test unterzogen. Danach könne man gegebenenfalls noch Korrekturen durchführen und die App aktualisieren – und nur einen Monat später wird sie dann dem deutschen und dem schweizer Markt zur Verfügung stehen.

Zur App: Sie bietet sechs unterschiedliche Memovarianten. Die Tiere sind so perfekt in den Buchstaben eingepasst, dass die Form immer die gleiche ist. Eine weitere Funktion der App ist: Man kann Tiernamen schreiben. Fehler könne man keine machen. Hat das Kind den Tiernamen geschrieben, alle Buchstaben in die Felder eingetragen, erscheint auf dem Display eine kurze, lustige Animation.

Im „Buch“ der App erwartet die jungen Nutzer eine Sammlung von lustigen Reimen und Versen, die gelesen werden können und die wahlweise auch automatisch vorgelesen werden. Ein integriertes Schreibtool ermöglicht den Kindern, spielerisch Worte zu schreiben oder auch nur einzelne Buchstaben. Das Ergebnis könne man sich in Form einer PDF – auf Deutsch ein (trans)portables Dokumentenformat – an die eigene E-Mail-Adresse senden und dann ausdrucken. Das gespeicherte Dateiformat kann ebenso als Druckdatei verwendet werden und so als Vorlage für den T-Shirt-Druck dienen. Auch Teetassen oder sonstige Produkte könne man damit bedrucken lassen. Die App ermögliche auch das „Nachspuren“ der Buchstaben. So können Kindergartenkinder ganz spielerisch auch schreiben lernen. Mit der Pfeilschrift von animalingo können Kinder die Schreibrichtung leicht erfassen. Die Regel ist einfach: „Immer beim roten Herz anfangen!“, und dann dem Pfeil folgen. Wird die Bewegung abgesetzt, wie beim T, dann helfen Farben als Leitsystem weiter. Dieses Nachspuren erleichtert den Lernprozess. Die Schrift ist zudem so ansprechend gestaltet, dass es einfach Spaß macht! Das Tolle an dieser App sei, dass die Kinder viel Freude daran haben, mit ihr zu spielen. Und dass sie eben auch in ihrem Bedürfnis, nämlich lernen zu wollen, optimal unterstützt werden, Erfüllung finden und auch Erfolg haben.

Vorbild für Christine Gold ist Astrid Lindgren. Ihr Buch über Pippi Langstrumpf kam vor 75 Jahren auf den Markt, zu einer Zeit, in der Reformpädagogik noch Zukunftsmusik war. Astrid Lindgren habe jedoch mit der Pippi eine Figur geschaffen, die selbstständig lebt und das auch ganz gut auf die Reihe bekommt. Pippi ist stark, mutig und sehr kraftvoll. Das Tolle: Pippi setzt ihre Kraft nie negativ ein. Das war sehr zukunftsweisend. Christine Gold ist sich sicher, dass sich die Autorin freuen würde, dürfte sie noch erleben, wie weit die Pädagogik heute reformiert wurde. Die Pippi Langstrumpf, so erzählt die Geschichte, geht auch mal einen Tag in die Schule und schaut sich dort den Unterricht an. Doch irgendwann legt sie sich auf den Boden und sagt: „Die blöde Schule macht mich müde.“ Und dabei ist Pippi doch so ein aktives Kind. Beim Leser stellt sich die Frage, warum funktioniert es bei der Pippi nicht. Aber die Botschaft Lindgrens ist klar: Das Kind will nicht passiv herumsitzen, es will selbst tätig sein. Und hätte die Pippi ein iPad gehabt, das lustig ist und Spaß macht, hätte sie auch das Lesen gelernt.

Die App soll 8,50 Euro kosten, dafür sei sie jedoch frei von In-App-Käufen und Werbung. Drei Tage kann die App kostenfrei getestet werden und wenn man die App gut findet, kann man sie kaufen. Sie hofft, dass ihr Ziel und ihre Vision, wirklich etwas für die Kinder zu tun, einen positiven Beitrag für deren Entwicklung zu leisten, in Erfüllung geht.

Mehr Informationen und News unter www.animalingo.de

Text: Susanne Rötter // Fotos: Nicole Boekhaus

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