UWE LUMPP – MANN IM SPIEGEL

„Wenn es etwas zu ändern gibt, fang mit dem Mann im Spiegel an.“

Wenn Uwe Lumpp in die Klasse fragt: „Wo liegen eure Stärken?“, wird es still im Raum. Krampfhaft versuchen die Kursteilnehmer sich ihrer Stärken bewusst zu machen. Eine Antwort erhält er nicht. Er erntet fragende Blicke. Der Jurist weiß aus Erfahrung, dass er eine stärkere Reaktion erhalten hätte, wären die Aversionen seiner Schützlinge das Thema gewesen. Doch genau aus diesem Grund steht er jeden Tag im Klassenzimmer. Seine Zuhörerschaft besteht aus Menschen, die durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes und aufgrund eines löcherigen sozialen Netzes und geringer Zukunftsvorsorge in die materielle und moralische Ausgrenzung gerieten. Der 55-jährige Aalener will helfen. Möchte motivieren und stark machen. Ein neues Bewusstsein der eigenen Arbeitsleistung schaffen.

Das Leben verläuft leider nicht immer so, wie man es sich erhofft. Wenn die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder körperliche, geistige oder seelische Behinderung gefährdet oder gemindert ist, dann helfen Rehabilitations-Bildungsträger einen beruflichen Neuanfang zu meistern. Vor einem Jahr beschloss Uwe Lumpp sich dieser Aufgabe zu widmen, als Mentor und Referent berät er, hilft bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen, bereitet die Kursteilnehmer auf das Vorstellungsgespräch oder den Eignungstest vor. Die Übergänge in die Erwerbsarbeit sind für Menschen mit geringen Ressourcen und Lebenschancen von Ungewissheiten geprägt. Er will Halt geben, Zuversicht schenken, vorbereiten. Seine Erfolgsquote spricht für ihn. Jeder unterzeichnete Arbeitsvertrag bekräftigt die Entscheidung, die Uwe Lumpp vor einem Jahr traf: Sich sozial zu engagieren.

Der Weg zum Ziel führt somit über das Verstehen der Art und Weise, wie diese Menschen ihre Situation in ihrer Orientierungs- und Arbeitssuche erleben und reflektieren. Es geht um Selbstfindung, um Impulsgebung. Dabei kommt die ruhige, positive Art des Diplom-Wirtschaftsjuristen zum tragen. Er kommuniziert nicht auf der negativen Ebene, eine klare Kommunikation ist ihm wichtig. „Wenn ich etwas sage, dann meine ich das auch so“. Er selbst kennt seine Stärken. Den roten Faden verliere er nie und es falle ihm leicht, die Quintessenz der Dinge zu erfassen. Das hilft ihm bei seiner Arbeit als Referent. Meist helfe es, zurückzugehen und zu schauen, wo das Problem entstanden ist. Manchmal reiche es aus, an einer kleinen Stellschraube zu drehen. Bei der Suche nach Lösungen, prüfe er den Sachverhalt stets von allen Seiten, gedanklich stellt er sich auch auf die Seite des Gegenübers und betrachtet das Problem aus der anderen Perspektive, das sei sein Trick für nachhaltige Ergebnisse mit denen alle Beteiligten gut leben können. Auch im Freundeskreis ist Uwe Lumpp gern für andere da und bietet bei Problemen des täglichen Lebens Hilfe. Vor allem in rechtlichen Dingen.

Dass er heute vor Langzeitarbeitslosen steht und ihnen Mut macht und Perspektiven auf den Weg gibt, hätte sich Uwe Lumpp noch vor einigen Jahren nicht vorstellen können, obschon er auch früher Seminare hielt. Nur das Publikum war ein anderes. Sein Credo, jeden Tag der zu werden, der man ist, brachte ihn auf diesen Weg. Und er zitiert Michael Jackson: „Wenn es etwas zu ändern gibt, fang mit dem Mann im Spiegel an.“ Geändert hat sich der Jurist oft im Leben. Leben ist Veränderung. Wandel und Wachstum. Und vielleicht ist es auch die eigene Biografie, die ihn so für dieses Referat prädestiniert. Als Sohn einer klassischen Arbeiterfamilie, wurde ihm früh gesagt: Wer lange die Schulbank drückt, sei nur zu faul, um zu arbeiten. Und so folgte er den Zwängen seines Umfelds und entschied sich für eine klassische Lehre im Handwerk als Zimmermann. Dieser Beruf machte ihm Freude, doch er fühlte sich unterfordert, seinen Wissensdrang lebte er, indem er eine weitere Ausbildung absolvierte, er wurde Bautechniker und arbeitete viele Jahre als Bau-und Projektleiter, bis er dann nebenberuflich den Betriebswirt machte.

Auf der Baustelle änderte sich ab diesem Zeitpunkt etwas für ihn: „Alle kommunizierten plötzlich auf einer anderen Ebene mit mir.“ Die Initialzündung für sein Studium des Wirtschaftsrechts waren Stolpersteine in der Kommunikation mit den Juristen, die ihm bei der Projektarbeit das Leben erschwerten. Hermann Hesse habe es so schön in Worte gefasst, meint er und lächelt zufrieden: „Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.“ Wohin ihn die nächste Reise führt, kann Uwe Lumpp heute noch nicht sagen. Doch seine Zuversicht kennt kaum Grenzen und er bleibt bei Hesse: „Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde uns neuen Räumen jung entgegen senden, des Lebens Ruf an uns wird niemals enden.“

Text: Susanne Rötter // Foto: Michael Ankenbrand

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