Die Geschichte der Samurai

Ein Mann allein kann jederzeit viele Feinde besiegen

Die Geschichte der Samurai

 

Die Samurai – Ritterlichkeit japanischer Prägung

 

Ein Mann allein kann jederzeit viele Feinde besiegen

Im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen den beiden damals wichtigsten und mächtigsten japanischen Adels-Clans, den Minamoto und den Taira, kommt es im sogenannten Gempei-Krieg um 1190 n. Chr. in einer Schlacht auf einer Brücke zu einer denkwürdigen Begebenheit. Ein Krieger tritt auf der halb zerstörten Brücke den anrückenden Feinden entgegen – nur er. Er verhöhnt seine Gegner und ruft ihnen zu: „Die in der Ferne mögen lauschen; die in der Nähe können es sehen: Ich bin Tsutsui Jomyo Meishu, der in Miidera lebt. Wer kennt mich nicht, einen Krieger, der tausend Männer wert ist? Wer glaubt, jemand zu sein, der komme her. Dann werden wir sehen!“ Mit Pfeilen schießt er auf die ihm gegenüber stehende Schar, tötet zwölf Taira-Krieger aufs Mal und verwundet noch etliche andere. Schließlich erklimmt er barfuß das Brückengeländer, springt auf die feindlichen Soldaten zu und streckt mit seinem Messer fünf Männer nieder, bis seine Klinge beim sechsten zerbricht. Da zieht er sein Schwert und tötet weitere acht. Der Rest zieht ab. Ein einzelner Minamoto-Krieger hat ganz allein einen kompletten Heerestrupp in die Flucht geschlagen.

Es ist ein Einzelereignis, aber es zeigt beispielhaft, was einen solchen Krieger, anfangs noch Saburai genannt, ausmacht. Zum einen ist es kein Einzelfall, dass ein solcher Bushi, wie seinesgleichen später in Japan genannt wird, allein gegen einen oder mehrere Gegner antritt. Im Gegenteil: Diese Weise zu kämpfen, im Duell Mann gegen Mann ganze Schlachten entscheidend, ist in ihren Kreisen von jeher üblich und endet erst, als der damalige Kaiser 1876/77 eine Wehrpflichtigen-Armee wie in alten Zeiten vor dem 8. Jahrhundert aufstellt. Die Bushi sind von da an überflüssig, und ihr Stand hört nach und nach auf, zu existieren. Die Bushi sind buchstäblich aus der Zeit gefallen. Was von ihnen bleibt, sind ihre Grundsätze und ihre Art zu kämpfen, die noch heute in teils jahrhundertelang überlieferten Kampfkünsten gepflegt wird, Jiu-Jitsu inklusive. – Zum anderen zeigen sich in dieser Begebenheit viele Einzelheiten, welche die Denkweise der Bushi, ihr Selbstverständnis und ihre Bewaffnung offenbaren.

 

 

 

Das Land ist Reis, und Reis ist Geld, und Geld ist Macht…

Der Ursprung der Bushi liegt am Beginn der sogenannten Heian-Periode, ungefähr Ende des 8. Jahrhunderts. Eine ernst zu nehmende Rolle spielen sie jedoch erst gegen Ende des 11. Jahrhunderts. Hatte bis dahin das Land weitgehend den Kaisern gehört, war der Landbesitz mit der Zeit immer mehr in die Hand privater Clans übergegangen, die inzwischen längst die eigentliche Macht im Land besaßen, während die jeweiligen Kaiser (lange herrschten mehrere in unterschiedlichen Provinzen nebeneinander) zunehmend nur noch repräsentative Funktion hatten. Nicht zuletzt, weil das Land Reis hervorbrachte und Reis zu jener Zeit wie Geld als Zahlungsmittel benutzt wurde, hieß es, das Geld, also den Reis und damit das Land und die Macht gegen fremden Zugriff zu schützen. Von den leichten Fußtruppen, die japanische Kaiser und Heerführer einsetzten, unterschieden sie sich durch ihre massive Rüstung und ihre Bewaffnung, die dem Betrachter später japanischer Holzdrucke noch heute durchaus einen Schauer über den Rücken jagen können. Kein Wunder, dass sich einem Bushi so leicht niemand widersetzte.

 

Ein Samurai mit Rüstung und Waffen.

 

Bushi zu sein ist trotz oft widriger Umstände eine Frage der Ehre

 

Das Wort Samurai hat seinen Ursprung schon vor der Heian-Periode, lautet damals aber noch Saburai. Die neue Bezeichnung als “Samurai” kommt erst Ende des 16. Jahrhunderts auf und wird noch heute auch in zahlreichen popkulturellen Referenzen wie z.B. in Online-Spielen so verwendet. Seine Bedeutung hat sich im Laufe der Jahrhunderte nie verändert. Ein Saburai oder Bushi ist ein „Dienender“ und „Beschützer“, wobei ihre Herren sowohl die Kaiser als auch die Landbesitzer, der Adel, sein können. Wichtigste Funktionen ihres Standes, gleich welchen Beruf oder welche Funktion sie sonst noch ausüben, sind das Dienen und Beschützen. Anders ausgedrückt: Kern der Philosophie des Bushi ist die Erlangung und Erhaltung von Ehre. Dies geht soweit, dass der Bushi jederzeit bereit sein muss, auf die Erhaltung seines eigenen Lebens zu verzichten, wenn er damit dasjenige seines Herren retten kann. Viele Geschichten, bei denen Bushi für ihre Herren in den Tod gingen, sind bis heute überliefert. Bushi konnte ein Mann nicht so einfach von sich aus werden. Er wurde gegebenenfalls dazu ernannt und erhielt, je nach bisherigem Stand ein mehr oder weniger reichliches Gehalt, verständlicherweise in Form von Reis. Es gibt aber Berichte von Leuten aus ärmsten Gesellschaftsschichten, die es zur Ernennung zum Bushi brachten. Ein gewisser Toyotomi Hideyoshi, Sohn eines einfachen Fußsoldaten, schaffte es Mitte des 16. Jahrhunderts sogar, Erster Minister zu werden. Kurze Zeit später wurde die Zugehörigkeit zum Stand der Bushi allerdings zementiert und für erblich erklärt. Außenstehenden war der Zugang zur Kriegerkaste damit unmöglich gemacht. Ausnahmen bestätigen hier wie meistens im Leben die Regel. Als ein holländisches Handelsschiff im Jahr 1600 n. Chr. An der japanischen Küste strandete, gelangte sein Navigator William Adams an Land. Als erster Europäer betrat er Japan, erlangte das Vertrauen des Shogun (der eigentliche Machthaber) und wurde sogar zur Kriegerkaste zugelassen.

 

 

 

Der Weg des Kriegers umfasst zahlreiche Pflichten und Tugenden

Die Idelogie dieser Krieger entwickelte sich nach und nach im mittelalterlichen Japan. Vom Zen-Buddhismus beeinflust, entstand der bis zuletzt gültige Ehrenkodex, der ständige Kampfbreitschaft ebenso beeinhaltete wie die Verpflichtung, ehrenvoll zu kämpfen und Schwache und Wehrlose zu schützen. Die Zivilgesellschaft blieb in den japanischen Kriegen nicht immer, aber weitgehend unbehelligt. Der ritterliche Kämpfer, der den Bushi-do, den Weg des Kriegers, beschritt, musste sich durch absolute Hingabe (Chugi) ebenso auszeichnen wie durch Mut (Yu), durch Ruhm und Ehre (Meiyo) ebenso wie durch Mitleid und Liebe (Jin), vollkommene Aufrichtigkeit (Makoto), Höflichkeit (Rei) und richtige Entscheidung aus der Ruhe des Geistes (Gi). Diese Regeln fanden ihren äußeren Ausdruck auch in der „Etikette“. Jeder einzelne Handgriff und Kniefall war bis ins letzte Detail geregelt. Alles hatte der Bushi zu erlernen, und er war dazu verpflichtet, seine Kampfkunst sein Leben lang weiter zu vervollkommnen.

Das Bild, das sich so ergibt, ist natürlich ein Ideal, das nicht immer der Wirklichkeit entsprach. Nicht jeder der „edlen“ Reisigen hielt diesen Ansprüchen stand, und obwohl dies verpönt war, kam es häufig zu Intrigen und Verschwörungen. Hass, Neid und Machtgier innerhalb der Clans führten immer wieder dazu, dass trotz der an sich üblichen Schonung der Zivilbevölkerung sehrwohl nach dem Sieg des einen Clans oft die gesamte Familie des Besiegten niedergemetzelt und ausgerottet wurde. Die Bushi pflegten übrigens getöteten Feinden häufig die Köpfe abzuschlagen, wobei sie diese in aller Regel ausgesprochen höflich und pfleglich behandelten.

 

Bogen und Schwert und der Kampf selbst ohne Waffen

Der Bushi konnte sowohl als Reiter zu Pferd als auch zu Fuß kämpfen. Früheste bekannte Waffe sind Pfeil und Bogen. Mit einem gut gebauten Bogen konnte ein Gegner bis auf eine Entfernung von bis zu dreihundert Metern getötet oder zumindest schwer verletzt werden. Vermutlich gleichzeitig mit Pfeil und Bogen wurde der Speer im Kampf eingesetzt, häufig vor allem von der Reiterei. Heute verbinden wir mit den Bushi vor allem den Schwertkampf. Das Schwert eines Kriegers war kein lebloser Gegenstand. Es hatte sogar einen Namen und wurde als Teil der Person seines Besitzers angesehen. Wer seines Schwert verlor, war entehrt. Dies war einer der Gründe, die zu dem führen konnten, was wir heute ebenfalls mit den Bushi oder Saburai in Verbindung bringen: dem rituellen Selbstmord, Seppuko genannt (die Bezeichnung Harakiri kam erst spät auf, bedeutet eigentlich Wirbelsturm und ist in Japan wenig gebräuchlich). Normalerweise beging der Entehrte Selbstmord, indem er sich ein Schwert in den Unterleib stieß. Häufig hatte er dabei einen Diener bei sich, der ihm, oft noch während er zustieß, den Kopf abschlug, um seine Qualen abzukürzen. Bekannt ist die Geschichte des Togo Shigechika, der sich, als es ihm nicht gelang, eine Burg zu erobern, mitsamt seinem Pferd lebendig eingraben ließ. Ein anderer, Nitta Yoshisada setzte noch einen drauf und enthauptete sich selbst. Seppuko wurde 1868 offiziellverboten, so wie auch die Herstellung und das Tragen von Schwertern Ende des 19. Jahrhunderts verboten wurde.

Bekanntestes Beispiel für Heldenhaftigkeit und Treue von Bushis ist die berühmte Geschichte von den 47 Ronin. Ronin waren Bushi, die von ihrem Herrn entlassen worden waren oder ihn im Kampf verloren hatten, was anfangs des 18. Jahrhunderts einer solchen Gruppe passierte. Selbstmord nach dem Tod ihres Herrn wurde ihnen vom Shogun verboten. So wurden sie, nachdem sie Rache genommen hatten, zu herrenlosen Ronin.

 

Was vom Tage übrig blieb – das Erbe der Bushi

Auch wenn ihre Zeit vorbei ist, können wir von den Kriegern des vorindustriellen Japan doch einiges lernen: zu kämpfen, aber ehrenhaft; die eigene Persönlichkeit zu festigen, beispielsweise durch Training auch ohne Waffen, eventuell sogar unter Einbeziehung von Meditationstechniken; andere Menschen zu ehren und sie zuvorkommend zu behandeln. Insgesamt lernen wir, wenn wir dem Bushi-do heutiger Tage folgen, unseren Charakter zu bilden. Damit nähern wir uns einem bestmöglichen Umgang mit unseren Mitmenschen, vielleicht in sportlichem Wettkampf, aber gegebenenfalls auch ganz ohne Kampf.

Wer sich eher lesend mit dem Thema beschäftigen will, kann dies mit Titeln wie „Zeitalter der Menschheit; Das alte Japan – eine Weltkulturgeschichte“ von Jonathan Norton, Verlag Time-Life International Bücher (wahrscheinlich allerdings nur noch antiquarisch erhältlich). Ein wichtiges Standardwerk ist „Kyudo – die Kunst des Bogenschießens“ von Hans Joachim Stein, Rowohlt Verlag. Auch interessant: „Das japanische Kaiserreich“ von John Withney Hall, Fischer Weltgeschichte im Fischer Verlag, oder „Samurai – die Waffen und der Geist des japanischen Kriegers“ von Clive Sinclaire, Verlag Stocker-Schmidt, Basel.

 

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