Viele leiden ständig unter Gedanken, die sich oft um ein und dieselbe Problematik drehen. Ehe der Betroffene sich dessen bewusst ist, verfällt er in einen Teufelskreis der eigenen Gedankengänge. Ängste, Kränkungen, Enttäuschungen, Ungerechtigkeiten, Defizite, aber auch unerreichbare Ziele, egal ob in der fernen Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft oder auch nur rein fiktiv, können uns das Leben auf diese Weise schwer machen. Was wäre, wenn man diese einfach beiseite schieben könnte? Wäre das nicht ein Geschenk?
Ein junger Vogel im Nest wird von seinen Eltern am ehesten gefüttert, wenn er lauter schreit als seine Geschwister oder den
Schnabel weiter aufreißt, weil er so den stärksten Reiz auf die Instinkte der Elterntiere ausübt. Auf diese Weise kann er noch
schneller wachsen und stärker werden als die anderen Jungvögel im Nest. Mit dem kleinen Schreihals-Vogel verhält es sich wie mit unseren Sorgen, Nöten und Gebrechen. Er krächzt nach Aufmerksamkeit – wächst jedoch auch noch und wird stärker, wenn man ihm diese schenkt.
Es gibt nämlich wirklich ein Heilmittel für die Seele: die Philosophie. Ihre Hilfe ist nicht außerhalb der eigenen Person zu suchen, wie bei körperlichen Krankheiten, sondern wir müssen uns mit aller Kraft bemühen, uns selbst heilen zu können.
Cicero
Ist das Dringlichste auch das Wichtigste? Wahrscheinlich nicht, wenn man ehrlich ist. Doch wie will man seinen Gedanken Herr werden? Die Lösung liegt manchmal darin zu realisieren, dass zumindest derzeit keine Lösung möglich ist.
KEINE SCHWÄCHE
Ablenkung bedeutet für viele eine Art Flucht und wird somit als Schwäche empfunden. Zu unrecht. Beispielsweise lässt sich an Schicksalsschlägen im Nachhinein nichts ändern. Die intensive Auseinandersetzung ist langfristig also nicht vorteilhaft. Denn Versöhnung mit dem Geschehenen oder ein Abfinden ist erst möglich, wenn der nötige Abstand gewonnen wurde.
Diesen erreichen wir nicht, indem wir uns um uns selbst drehen, sondern nur wenn neue Erlebnisse und Erfahrungen gewonnen werden. Der Mensch ist neben der Vernunft leider wohl auch das einzige Tier, das zur Melancholie fähig ist. Ein Tier würde sich vermutlich nicht auf eine Möglichkeit versteifen, die verschlossen scheint, sondern sich schnell auf alles Übrige besinnen.
BEWUSST ENTSCHEIDEN
Daran kann man sich ein Beispiel nehmen, indem man gezielt entscheidet, sich durch Erlebtes Abstand von den eigenen Gedanken zu verschaffen. Ob man dazu nun banale Tätigkeiten vollzieht, sei es putzen oder alte Dokumente sortieren oder ein Buch lesen oder man ins Extrem geht und sich zum Bungee-Jumping anmeldet – Ablenkung muss bewusst beginnen.
Es bedarf Zeit, Disziplin und Übung, womöglich auch einer Organisation von täglicher Routine, um aus dem Teufelskreis der Gedanken auszubrechen. Es ist möglich zu lernen schon durch Kleinigkeiten den gewünschten Effekt zu erzielen ohne Unmengen aufregender Dinge erleben zu müssen.
Ablenkung kann Stärke bedeuten, wenn wir uns aufraffen und unseren Schwächen, zumin- dest eine Zeit lang, den Rücken kehren.
Text: Dimitrios Gorlas
Heilpraktiker