FRAGE – EROTEMATIK – DIE KUNST DES FRAGENS

Eine Statistik sagt, dass der Mensch mindestens 200-mal am Tag lügt. Auch nach Fragen wie zum Beispiel: „Wie geht ́s Dir?“, „Hat es geschmeckt?“, „War der Urlaub schön?“, „Wie viel verdienst Du?“

Eine Statistik sagt, dass der Mensch mindestens 200-mal am Tag lügt. Auch nach Fragen wie zum Beispiel: „Wie geht ́s Dir?“, „Hat es geschmeckt?“, „War der Urlaub schön?“, „Wie viel verdienst Du?“

Mindestens so oft stellt ein Mensch pro Tag Fragen. Dazu zählen auch die Fragen an sich selbst. Fragen wie zum Beispiel: „Was hab ich bloß gedacht?“, „Was muss ich noch kaufen?“

Meine Frau fragt mich mindestens 3-mal jeden Morgen: „Hast Du die Zähne geputzt? Hast Du die Haare gekämmt? (Solange ich noch welche habe). Sind die Schuhe sauber?“

DIE ART DER FRAGEN

Es gibt 4 Arten von Fragen.

  1. Psychologie: eine im Werden begriffene Erkenntnis, deren Abschluß der Fragende eventuell von anderen verlangt.
  2. Logik: eine Annahme, deren Wahrheitsentscheidung an andere Personen gestellt ist.
  3. Rhetorische Frage: eine Frage, die keine Antwort erwartet.
  4. Grammatische Frage: Ein Satz.

Zum existenziellen Aspekt der Frage stellt Sokrates folgendes fest: Wir werden besser und tapferer, wenn wir glauben, wir müssten das suchen was wir nicht wissen, als wen wir annähmen, was man nicht wisse, sei unmöglich zu finden und daher auch nicht zu suchen.

DER URSPRUNG DER FRAGEN

Der Ursprung für die Fragen ist die Aporie (Ratlosigkeit), deren Wurzel letztlich im Staunen liegt und die als Wahrheitssuche im Dialog ihre Fortsetzung findet, in dem durch weitere Fragen das natürliche Vorwissen zur Rechenschaft gezogen wird.

Als sokratische Methode bezeichnet man ein pädagogisches Vorgehen, benannt nach seinem berühmten Vorreiter. Anders als die großen sophistischen Redner seiner Zeit und die späteren aristotelischen und Scholastischen (Schulischen) Lehren, die Wissen in genau geplanten Lehrstunden vermittelten, ließ Sokrates (470 – 399) v. Chr. seine Zuhörer individuelle und persönliche Erkenntnisse gewinnen, indem er ihnen Fragen stellte. Diese Fragen waren derart gestaltet, dass sie eine „verflexive“ und zumeist kritische Betrachtung von philosophischen, politischen und religiösen Ansichten hervorbrachten. In einem berühmten Fall, beschrieben in Platons Dialog „menon“, brachte Sokrates mit dieser Methode ungebildeten jungen Sklaven diverse euklidische Lehrsätze (Euklid, war ein griechischer Mathematiker im 3. Jh. v. Chr.) bei, den Satz des Phytagoras inbegriffen.

WISSEN IST ANGEBOREN

Die Hauptannahme für Sokrates Vorgehensweise ist, das Wissen angeboren ist. Wir eignen uns keine neuen Informationen an, sondern wir erinnern uns im Unterricht an das, was wir bereits wissen. Hier denkt Sokrates an Wiedergeburt (Metempsychose), Seelenwanderung. Phytagoras war überzeugt von der Unsterblichkeit der Seele und der Information der Zellen (Erinnerung).

Eine Frage ist eine besondere Form eines Satzes, bei der der Sprecher seinen Gesprächspartner dazu auffordert, ihm eine Auskunft zu erteilen. Ziel einer Frage ist also das Erhalten einer Information. Es wird unterschieden zwischen Entscheidungsfragen, die mit einem Ja oder Nein beantwortet werden müssen und rhetorische Fragen, die keine Antwort erwarten, sondern nur zum Denken anregen sollen. Erotematik ist eine Fragekunst, die Fragen im Unterricht so zu stellen, dass man damit die dem jeweiligen Zweck entsprechenden Antworten erzeugt. So wie eine Hebamme den Frauen bei der Geburt ihrer Kinder hilft, so hilft Sokrates den Seelen bei der Geburt ihrer Einsichten.

KLUGE FRAGEN STELLEN

Kluge Fragen stellen können ist die halbe Weisheit.

„Frage nur vernünftig und du kriegst eine vernünftige Antwort.“

Entsprechend sollen sokratische Fragen als Methode der Reflexion nicht nur mit den Mitteln der Ironie und durch die Elektik (die Kunst des Beweisens, Widerlegen- des und Überführens) dienen, sondern den Nachweis von Widersprüchen aufweisen und damit die Selbstständigkeit vermeintlichen Wissens erschüttern.

Ebenso sollen die Fragen zu der immer vorhandenen Basis des vernünftigen Denkens und sittlicher Einsicht hinführen.

Die Frage ist der Motor des Dialogs. Frage heißt auf griechisch (Eroto) das hat mit dem „Eros“ zu tun. Es ist auch ein bisschen Liebe, wenn ich mich für jemanden interessiere. Auch durch Fragen und Gegenfragen entwickelt sich eine schöne Unterhaltung. Beide gemeinsam können an einem schönen Bild arbeiten, das vorher nicht da war. Das ist die Kunst der Fragestellung (Erotematik). Es gibt auch keine dumme Frage.

Die dümmste Frage ist die, die man nicht stellt. Wer frägt, der zeigt Herz und Seele. Der Gefragte muss das würdigen und schätzen. Und noch etwas Wichtiges, es ist ratsam Fragen zu stellen ohne warum. Die alten griechischen Philosophen haben Fragen gestellt, diese konnte man nicht mit einem „Ja“ oder einem „Nein“ beantworten. Man musste überlegen, was meint er jetzt? Und dann hat man das Gehirn in Bewegung gesetzt.

Die Lehrmethode des Sokrates verhilft – insofern sie keine eigenen Behauptungen aufstellt – durch geschickte Fragen dem Gesprächspartner dazu, seine eigenen Gedanken zu artikulieren und sie im Zuge der dialektischen Überprüfung einer begrifflichen Klärung zu unterziehen.

Heidegger (deutscher Philosoph 1889 – 1976) thematisiert die Frage nach dem Sinn vom Sein, da der Begriff des Seins der dunkelste ist und undefinierbar. Wegen seiner Allgemeinheit und zugleich durchaus selbstverständlich.

Die Grundlagen eines wahren Selbstverständnisses und Wissen können nach Sokrates mithilfe konsequenter Fragen ans Licht gebracht werden.

Nicht die Welt ist der Ursprung der Frage, sondern die Frage ist der Ursprung der Welt. Philosophie heißt auf dem Weg sein, die Fragen der Philosophie sind bedeutender als ihre Antworten. Und nun noch ein paar Fragen von Ted Hughes.

Wer ist stärker als die Hoffnung?

Der Tod Wer ist stärker als der Wille?

Der Tod Wer ist stärker als die Liebe?

Der Tod Was ist stärker als das Leben?

Der Tod Aber wer ist stärker als der Tod?

Ich natürlich.

Text: Konstantin Gorlas, Philosoph

Foto: Miles Studio – www.shutterstock.com

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