UWE RENZ – Taktstockmeister in der ganzen Welt

Er studierte am legendären Mozarteum in Salzburg. Er war Kapellmeister an der Staatsoper in Istanbul. Uwe Renz ist Freier Dirigent und ganz ohne Zweifel ein Freigeist. Der Dirigent, Musiker und Komponist aus Aalen lebt in Mondsee bei Salzburg. Der Taktstockmeister dirigiert renommierte Ensembles in ganz Europa. Uwe Renz leitet auch die Junge Philharmonie Ostwürttemberg. Und dirigiert sie – in Japan.

Es gibt Dinge, die hört man nicht gerne. Etwa, dass das musikalische Gehör eine Sache der Gene ist. Es ist Teil dessen, was man gemeinhin musikalische Begabung nennt. Eine Begabung kann niemand aufhalten, sie bahnt sich brachial ihren Weg. Uwe Renz wollte schon als Pimpf unbedingt ein Instrument spielen. Der Opa gab ihm den oberen Teil seiner zweiten Klarinette. „Ich hatte keine Ahnung von Noten. Aber das, was da rauskam, das war ich.“ Er schleppte Kochtöpfe und Kochlöffel in sein Kinderzimmer und baute sich ein Schlagzeug, besser: ein Lärmzeug. Und er stellte sich auf die Zehenspitzen, um dem alten Klavier der Familie ein paar Töne zu entlocken. Und schon bald klimperte er mit einem Kinderlieder – ohne Noten. Da nahm ihn die Großmutter auf den Schoß, setzte sich mit ihm ans Klavier und brachte ihm Ton um Ton die Noten bei.

Uwe Renz, der nach einer 18-stündigen Geburt am 7. April 1962 in Aalen zur Welt gekommen ist, wuchs in einem Haus der Klänge auf. „Musik gehörte zum Alltag wie das Zähneputzen.“ Wir sprechen hier nicht von einem bourgeoisen Bildungsbürger-Haushalt, in der staubtrockene Operngänger-Eltern, denen bei Bach und Beethoven der Schauder über den Rücken läuft und bei denen blasse Töchter und Söhne Bratsche und Cello zu quälen haben.

Uwe Renz als Kind

Kleine Leute, große Musik

Wir sprechen von kleinen schwäbischen Leuten. Von einem Opa, der Schreiner war, von einem Vater, der Versicherungen verkaufte. Wir sprechen aber von einer Familie, deren Mitglieder das Musizieren in die Wiege gelegt worden war. Der Großvater: Klarinette und Saxophon. Der Vater: Akkordeon und Klavier. Die Großmutter: Klavier, Zither, Gitarre. Die Mutter: Akkordeon.

Die Schwester wurde Klavierpädagogin. Und Elias, ihr Sohn, gewann mehrer Klavierwettbewerbe und studiert heute Klavier im italienischen Bari.

Uwe Renz sitzt für vier Stunden am Redaktionstisch. Eigentlich kann man ihn sich genau so gut im Film vorstellen. Er hätte auch den französischen Filou in „French Kiss“ geben können. Das Dirigenten-Genie Herbert von Karajan sah auch nicht aus wie ein lebensfremder Klassik-Zombie. Der ließ sich einen Porsche-Carrera-Motor in seinen VW-Bus einbauen. Uwe Renz könnte man so etwas auch problemlos zutrauen. Dabei macht sich der, der einst von der Karajan-Foundation als Nachwuchstalent gefördert wurde, aus Hochleistungsmotoren überhaupt nichts.

 

Nackenhaare aufgestellt

Aber er ist ein Hochleistungsmusiker. Er lebt seinen Beruf ganz und gar. Er hat das berühmte ,innere Feuer’, wenn er auf der Bühne steht, wenn er davon erzählt. Vom Konzert mit der Jungen Philharmonie Ostwürttemberg auf Schloss Fachsenfeld. Es regnete. Die Bühne ist nur zum Teil überdacht. Holzinstrumente schützen. Abbrechen? Nein, aber improvisieren. Nichts mehr mit Beethoven. Dafür werden zehn Blechbläser nach vorne platziert. Die spielen dann „Bohemien Rhapsody“ von „Queen“.

Zum Niederknien seine Erzählung von einem Konzert 1992 in einem Amphitheater auf Zypern an der Küstentrasse von Lanarka nach Paphos. Die Zuschauer sahen über das Orchester hinweg aufs Meer hinaus. Antonin Dvoraks 9. Sinfonie („Aus der neuen Welt“). Renz dirigiert das Mozarteum-Orchester Salzburg. Der zweite Satz (Englischhorn-Solo) erklingt. Und plötzlich brandet das Meer auf. „Da stellte es mir die Nackenhaare auf.“

 

Autohupen und Feuerorgel

Uwe Renz ist ein begnadeter, begeisternder Erzähler, auch ein Anekdoten-Aneinanderreiher. Konzerte mit der Jungen Philharmonie Ostwürttemberg (JPO) in Japan, Konzert beim Rossini-Festival auf Rügen, in Istanbul – oder er kümmert sich um Uraufführungen junger Komponisten in Salzburg für Neue Musik. Oder auch mal zwischendurch für eine Uraufführung auf der Kapfenburg bei Lauchheim. Da geht es dann um Musik mit gestimmten Auto-Hupen oder wie man ein Stück für eine Feuerorgel umsetzen kann.

Vor Jahren fragte ihn ein Bekannter auf einem Zebrastreifen in Aalen, ob er nicht das Musical „Die Kugeln des Sultans“ dirigieren möchte? Klar doch. Muchtar al Ghusain, damals Leiter der Musikschule Schwäbisch und Gründer der JPO, sah die „Sultan“-Aufführung – und engagierte Renz vom Fleck weg als Dirigenten der JPO. Das war 1999.

IMG_6393

Seitdem macht das Uwe Renz. Die Junge Philharmonie Ostwürttemberg unter Vorsitz von Landrat Klaus Pavel ist ein Orchester bestehend aus 70 Jugendlichen mit einer Auswahl talentierter Musikerinnen und Musiker im Alter von 14 bis 24 Jahren. Viele der Musiker sind Schüler in einer der 14 kommunalen Musikschulen oder Preisträger des bundesweit ausgetragenen Wettbewerbs „Jugend musiziert“. Maßgeblich wird die JPO von der Kreissparkasse Ostalb gesponsert.

 

Du musst Dirigent werdenUwe Renz Archiv

Die JPO ist nur ein Teil des Dirigenten- und Komponistenlebens von Uwe Renz. Er ist als Freier Dirigent in ganz Europa unterwegs. Dieses Leben für die klassische Musik war aber einstmals zunächst für ein eher bieder-beschauliches Leben ausgelegt. Abitur am Kopernikus-Gymnasium in Aalen, Studium an der Musikhochschule Heidelberg-Mannheim. Schulmusik, Schwerpunkt Klavier.

 

Der Plan konnte nicht aufgehen. „Du musst Dirigent werden“, sagte ihm nicht nur sein Professor, sondern vor allem seine innere Stimme. So machte er sich mit „Todesverachtung“ auf nach Salzburg. Drei Tage Prüfung am weltberühmten Mozarteum, 167 Kandidaten, 5 freie Plätze. Uwe Renz schaffte die knochenharte Aufnahmeprüfung – und kam zum legendären Professor Gielen.

Der Dirigierprofessor mit Gespür für Talente rief ihn im letzten Semester an: „In Istanbul suchen sie einen Kapellmeister.“ Istanbul, Türkei? Genau so geschah es. Uwe Renz stand vor einem Hauschor der Staatsoper mit 128 ausgebildeten Sängerinnen und Sänger, die zur Begrüßung „ein Fortissimo anstimmten, das mit die Hosen flatterten.“ Renz dirgierte Umberto Giordanos Oper „Andrea Chenier“. So fing es an, das war 1992.

 

Dann kam das Heimweh

Eine wunderbare Zeit nahm ihren Anfang. Der Vertrag wurde verlängert und wieder verlängert. Doch dann kam das Heimweh und die Erkenntnis, dass man am Bosporus doch weit davon entfernt ist, wo in Europa die Musik spielt… Uwe Renz kehrte nach Salzburg zurück, kaufte sich eine Wohnung in Mondsee, wo er heute noch lebt. Er heiratete 1998 – eine türkische, in der Klassik ausgebildete Musikerin. Doch dann wurde seine Frau vom Heimweh befallen…

Heute lebt Uwe Renz wieder mit einem „Schwobamädle“ aus seiner Heimatstadt „in einer glücklichen Fernbeziehung.“ Heute wie damals ist ganz Europa sein Zuhause. Er ist Freier Dirigent. Aber er ist auch das, was sich nur Wenige leisten können – ein Freigeist. Und er kann das von sich sagen, was noch weniger Menschen über sich sagen können: „Ich habe ein erfülltes künstlerisches Leben.“

H. Bredl