TAUSCHE MACHT GEGEN GLÜCK

TAUSCHE MACHT GEGEN GLÜCK

 

BEFEHLSKULTUR IN BETRIEBEN AM ENDE?

 

Chef sein ist nicht leicht. Genau wie bei Politikern zerren die unterschiedlichsten Interessen an einem. Eine falsche Entscheidung kann eine ganze Firma ins Wanken bringen. Wir reden hier nicht von Managern, Big Bossen, die dann mit Millionen-Abfindungen anschließend Golf spielen. Wir reden hier generell von Führungspersonen, vom Abteilungsleiter über den Chef eines Mittelstandsunternehmens bis zu Entscheidungsträgern im relativen Top-Management – und über deren Führungsqualitäten. Umfragen stellen hier kein gutes Zeugnis aus.

 

Im Auftrag der Stuttgarter „Initiative Zukunfsträchtige Führung“ (IZF) machte das renommierte Meinungsforschungsinstitut Allensbach eine Untersuchung unter 278 Führungskräften und 273 Nachwuchskräften aus Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung.

Ergebnis: Nur jede fünfte Nachwuchskraft hält den Umgang es Chefs mit den Mitarbeitern für zukunftsfähig.

 

Beratungsresitenz

 

Weshalb? Chefs werden nicht für verlässlich gehalten – was einmal getroffene Absprachen betrifft. Viel schlimmer: Generell wird die Kritikfähigkeit von Chefs in eigener Sache in Frage gestellt. Und: Chefs können oder wollen nicht zuhören. Nicht wirklich. Hier könnte man wieder Parallelen zur Politik ziehen.

Beratungsresistenz nennt man dieses Phänomen. Mitarbeiter haben das Gefühl, dass ihre Meinung nichts oder wenig zählt.

 

Zudem, das weiß man auch aus anderen Studien – Führungskräfte loben zu wenig. Anerkennung von Engagement und Leistung ist aber Arbeitnehmern ungeheuer wichtig – oft mehr als etwas mehr Geld. – Umgekehrt schätzen sich Chefs selbst ganz anders ein. Satte 87 Prozent sehen in ihrem alltäglichen Auftreten einen respektvollen Umgang mit den Mitarbeitern (IZF-Studie). Da überrascht es schlussendlich nicht, dass weniger als die Hälfte von abhängig Beschäftigten keinesfalls glaubt, dass die Leitlinien für die Unternehmenskultur (gibt es in großen Firmen) von den Chefs wirklich beachtet werden.

 

Von völlig zur Menschenführung ungeeigneten Chefs in kleinen Handwerksklitschen und kleinen Mittelstandsunternehmen, wo die Angestellten tagtäglich ihren Boss (oder ihre Chefin) unmittelbar erleben können, soll hier nicht die Rede sein.

 

Gehetztsein bringt nichts

 

Man braucht keine wissenschaftliche Untersuchung, um aus eigener Berufspraxis oder der von Freunden und Bekannten zur Erkenntnis zu kommen, dass – neben Charakterschwächen von Chef/Chefin und auch der von Mitarbeitern, was nicht vergessen werden soll – das ständig Gehetztsein durch Leistungs- und Umsatzsteigerung niemandem gut tut. Inneres Aussteigen, die Furcht unliebsame Wahrheiten zu sagen, Ausgebranntsein sind die Folgen. Die Ingenieure, die bei VW schon frühzeitig erkannten, dass die Abgaswerte so schnell technisch nicht realisierbar sind, und das auch formulierten, konnten sich eine andere Arbeitsstelle suchen.

 

Bringt derlei Unterwürfigkeit (Lügen) und Unmündigkeit (nicht Gehörtwerden) eine Firma weiter? Aber was ist zu tun? Vielleicht die alte Befehlskultur endlich begraben. Vielleicht endlich eine Kultur des Miteinanders pflegen.

 

Kleine Gesten machen es

 

Ganz sicher geht es wohl nicht so blauäugig wie die „Gemeinwohl-Idee“ des österreichischen Psychologen Christian Ferber: „Tausche Macht gegen Glück.“ Schön wär’s, wenn’s so einfach wäre. Aber vielleicht könnte man sich ja die Chefin eines Gmünder Autohauses zum Vorbild nehmen. Die unterhält sich oft montags mit ihren Angestellten über deren Wochenende, über die Familie, die Kinder, die Sorgen… Und manchmal bringt sie jemandem einen Topf mit einer Pflanze mit. „Sie mögen doch auch Pflanzen sehr…“

 

Es geht um Zuhören. Es geht um kleine Gesten der Zuwendung. Und das können jeder und jede lernen. Wenn sie denn wollen.

 

D.-C. Bredl