IDEE – IDEA, EIDOS, URBILD, AUSSEHEN

ABHANDLUNG ZUR GESCHICHTE EINES BEGRIFFES

Alles beginnt mit einer Idee. Es gibt nichts Schöneres als eine Idee, wenn sie in Erfüllung geht. Das Wort Idee kommt vom griechischen idea, eidos – Urbild, Aussehen, Beschaffenheit. Es bedeutet nach dem ursprünglichen Wortsinn lediglich äußere  Gestalt, wahrnehmbares Erscheinungsbild.

In der Philosophie Platons erfährt der Ausdruck Idee jedoch eine Bedeutungsvertiefung und wird zu einem zentralen Begriff seiner Lehre (Ideenlehre). Der griechische Philosoph versteht unter Idee das wahre eigentliche Sein, die Wesenheit eines Dinges. Für Platon sind die Ideen ewige unveränderliche Urbilder, nach denen die Gegenstände in der sichtbaren Welt geformt sind. Nur dank ihrer Teilhabe an den Ideen und als ihre Abbilder existieren die Einzeldinge überhaupt.

Idee als Gottes Gedanke

Unter dem Einfluss der christlichen Philosophien des Mittelalters verändert sich die Bedeutung des Begriffes der Ideen, die nun als Gedanken Gottes verstanden werden, nach denen die Schöpfung ins Werk gesetzt wird. (So etwa der Kirchenvater Augustinus).

Für Immanuel Kant sind Ideen Grundsätze, die eine regulative Funktion für das menschliche Handeln besitzen, denen aber in der objektiven Welt keine mit den Sinnen wahrnehmbare Entsprechung zukommt. So hat der Mensch zum Beispiel eine Idee von Freiheit, an der er sein moralisches Tun ausrichtet, obwohl die Freiheit kein vom menschlichen Bewusstsein unabhängiges Dasein hat.

Begriffe der reinen Vernunft

Ideen heißt bei Kant auch transzendentale Ideen oder Begriffe der reinen Vernunft. Die Ideenlehre stellt ein zentrales Element in der Philosophie dar, ist aber von ihm nicht als geschlossenes System ausgearbeitet worden. Unter Ideen versteht der griechische Philosoph ewige unveränderliche Wesenheiten, die in einem eigenen Reich vermutet werden.

Neben diesem Bereich der Ideen existiert die Welt der Erscheinungen, in der die sinnlichen wahrnehmbaren konkreten Einzeldinge ihren Platz haben. Von sich allein und unabhängig von den Ideen existieren die Einzeldinge jedoch nicht, sondern nur insofern als sie an den Ideen teilhaben. Bei den sinnlich erfahrbaren Dingen handelt es sich also um bloße Abbilder der Ideen.

Schau der Ideen

Zu einer Schau der Ideen selbst kann der Mensch durch die Wiedererinnerung (Anamnese) gelangen. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, dass die Seele des Menschen vor ihrer Verbindung mit dem Körper die Ideen geschaut hat. Nun, das sie im Körper feststeckt, erinnert sie sich beim Anblick der Dinge (die ja Bilder der Ideen sind) an die Urbilder der Ideen, die sie einst erblickt hat.

Die Idee des Guten

Platons Ideen sind hierarchisch geordnet. Die Idee des Guten bildet die Spitze der Pyramide. Auf der Ebene der Erscheinungen ist etwas als gut zu bezeichnen, wenn es teilhat an der Idee des Guten. Für Platon ist allein der Philosoph in der Lage, die Idee des Guten zu erkennen. Für Platon ist das Auge ein philosophisches Organ. Idee kommt aus dem Auge (Ida = ich habe es gesehen). Aus dem Auge kommt auch das uns bekannte Vi-deo, ich sehe. Der Mensch ist gehalten, konzeptionell zu denken, d.h. er muss vielfach Wahrnehmungen gedanklich zusammenfassen. Er vermag dies infolge einer Wiedererinnerung an jene Ideen, welche die Seele im Gefolge Gottes gesehen hat (Anamnesis). Der Philosoph ist immer den Erinnerungen an die Ideen hingegeben und kann allein vollkommen sein. Schöne Objekte erinnern an die Idee des schönen und beflügeln die Seele für die Rückkehr zum himmlischen Ort.

Wunderbar Schönes

Was wir heute mit platonischen Ideen meinen, beschreibt Platon selbst mit einer Vielzahl von Vokabeln und Redewendungen. Im Symposium etwa wird von einem seiner Natur nach wunderbarem Schönen gesprochenen, einem Immersein, das weder entsteht noch vergeht. Jede Idee konstituiert sich aus Natur und Teilhabe an bestimmten anderen Ideen. Natur ist der Grund für das, was eine jede Idee aus sich selbst heraus ist. Teilhabe ist der Grund für alles, was von ganz bestimmten anderen Ideen hinzukommt. Beides zusammen macht erst eine Idee aus. Dabei gibt es gewisse Ideen, die nachweisbar sind im platonischen Text. So gibt es den „Timaios“, einen der letzten platonischen Dialoge. Es geht um eine Fragestellung,  die sich aus der Lehre von der Teilhabe der Ideen  aneinander ergibt.

Platons Sonnengleichnis

Wenn die einzelnen Ideen sich aus Natur und Teilhabe konstituieren, muss man dann nicht auch für die einzelnen Dinge ein zweites konstitutionelles Prinzip neben der Teilhabe annehmen. Sie wäre ja sonst nur Summe der verschiedenen Teilhaberelationen. Auf diese letzte Frage antwortet Platon nur noch mit der großen Verhaltenheit. Kann man auf der Suche nach den wirklichen Ideen stehen bleiben, die einander in ihrem wechselseitigen Anderssein begrenzen? Platons Antwort ist das Sonnengleichnis (Politeia). So wie die Sonne im Bereich des Sichtbaren durch ihr Licht dem Sehvermögen das Sehen und dem Gesehenen das Gesehenwerden ermöglicht, so ist die Idee des Guten im Bezug auf das Denkbare.

Würde und Kraft des Guten

Das bedeutet, dass die Idee Grund für Erkennen und Erkannt werden ist. Wie die Sonne dem sichtbaren Werden Wachstum und Nahrung verteilt – wobei sie selber aber kein Werden ist -, so wird auch Denkbarem von der Idee des Guten das Sein und das Wesen zuteil. Die Idee des Guten selbst aber ist keine einzelne Wesenheit mehr, sondern sie ragt an Würde und Kraft noch über das Wesenhafte hinaus. Platon hat mit seiner Ideen-Konzeption dem philosophischen Denken bis in die jüngste Gegenwart hinein eine seiner zentralen Themen geliefert. Abgelehnt haben die platonische Lehre von den Ideen die Stoiker. Entsprechend ihrer nominalistischen, konzeptionalistischen Grundhaltung hat reale Existenz für sie nur das konkret Einzelne. Die einzelnen Gegenstände der Außenwelt werden über die Sinneswahrnehmungen als Vorstellungen der Seele eingeprägt. Durch Belehrung und geistige Arbeit oder auch unreflektiert werden diese Vorstellungen zu Begriffen mit Allgemeinheitscharakter.

Begriffe in Geist und Sprache

Die  aber wesenhaften  Vorstellungen bleiben. Diese allgemeinen Begriffe gibt es nur in unserem Geiste und in unserer Sprache. Sie haben weder ein substanziellen noch ein qualifiziertes Sein. Sie haben beides nur gleichsam wie man sich auch die Vorstellung eines Pferdes machen  kann ohne dass es wirklich da ist.

Hier ein Zitat über die Idee von (André Gide):
„Ideen, ich gestehe es, interessieren mich mehr als Menschen, interessieren mich über alles. Ideen leben, kämpfen und sterben ganz wie die Menschen. Freilich kann man sagen, dass wir sie nur durch die Menschen kennenlernen, in gleicher Weise wie man das Wehen des Windes an der Bewegung des Schilfrohres erkennt, das er niederbeugt, aber der Wind ist von größerer Bedeutung als das Schilf.“

 

Konstantin Gorlas

Konstantin Gorlas


Philosoph