DIE WELT IST NICHT GENUG

Uwe Brösamle wuchs in Schwäbisch Gmünd auf und wanderte vor 30 Jahren in die Vereinigten Staaten aus. Sein spezielles Hobby jedoch verbindet ihn auf ewig mit der ältesten Stauferstadt.

Das Dröhnen der Motoren erfüllt das Kino. Auf der Leinwand des Turmtheater Schwäbisch Gmünd liefert sich James Bond eine atemberaubende Verfolgungsjagd durch einem sumpfigen Flussarm in der Nähe von New Orleans. Als das Schnellboot der Verfolger viele Meter durch die Luft fliegt und dann im Pool einer privaten Villa landet, stockt einem der Zuschauer der Atem. Es ist der elfjährige Uwe. So viel Action und Exotik hatte er nicht erwartet. „Mein Name ist Bond – James Bond“, mit diesen Worten startet Agent 007 in jeder Folge in seine atemberaubenden Abenteuer. In diesem Kinofilm „Leben und sterben lassen“, seinem achten Abenteuer, wird er erstmals vom britischen Schauspieler Roger Moore gespielt, der damit seinen schottischen Kollegen Sean Connery ablöst. Das war 1973 und seitdem haben die Bond Filme einen weiteren Fan: Uwe Brösamle.

„Leben und sterben lassen“ beginnt mit mehreren Mordanschlägen auf Personen, die sich mit dem Präsidenten der kleinen, karibischen Insel San Monique (fiktiv), Kananga, beschäftigen. Sei es ein CIA-Agent, ein Botschafter oder ein britischer Geheimagent. Sie alle werden äußerst effizient und geräuschlos beseitigt. Den Grund für die Attentate sowie deren Auftraggeber zu finden, wird die Aufgabe von 007. Dabei erhascht der Zuschauer gleich zu Beginn des Streifens einen Blick in das luxuriöse Eigenheim seines sonst aus dem Koffer lebenden Heroen. Und wer sich noch an Bootsmann Quarrel aus „Dr. No“ erinnerte, durfte bei der Überfahrt nach San Monique ein Déjà-vu erleben. Mit dem Auftritt von Sean Connery in „007 jagt Dr. No“ war der Agent zum ersten Mal auf der Leinwand zu sehen. „Bond, James Bond“, stellt er sich in einem Kasino vor. Eine Legende war geschaffen.

FILMGESCHICHTE IN SCHWÄBISCH GMÜND
Filme auf Video, das gab es Mitte der siebziger noch nicht. Bis Uwe Brösamle den ersten Bondfilm, „Dr. No“, auf VHS sehen kann, vergehen rund zehn Jahre. Als 1974 „Der Mann mit dem goldenen Colt“ in die Kinos kommt, machte ihm die Altersbeschränkung einen Strich durch die Rechnung. So musste sein älterer Bruder als Begleitung mit. An den damaligen Kinobesitzer Joachim Huttenlocher kann er sich noch heute gut erinnern: „Er war ein sehr netter und symphytischer Mann.“ Er habe ihm auch die originalen Filmposter geschenkt. Die Löcher, die einst die Reißnägel im Aushang durchstachen, schmälern ihren Wert nicht. Heute sei der immens hoch, da ist sich Brösamle sicher. Mit mitte fünfzig sagt er im Rückblick: „Roger Moore war „mein“ Bond.
Was wäre James Bonds Welt ohne die exotischen Schauplätze, die Luxushotels, die schönen Frauen an den meist einsamen Stränden und den sagenhaften Orten fremder Kulturen. „Das weckte meine Sehnsucht“, erinnert sich Brösamle. Bot der Film doch viel mehr als die Enge der katholischen Stadt Schwäbisch Gmünd. Er lieferte einen Traum. Den Traum von Freiheit.

GEGRILLTE HENDL AUS DER BOCKSGASSE
Mit drei Jahren kam Uwe mit seiner Familie aus Nagold, in die älteste Stauferstadt. Sein Vater eröffnete im Herzen der Stadt das Schnellrestaurant „Wienerwald“. Gemeinsam mit der Mutter leitete er die erste Filiale in Gmünd. Lange vor dem Erfolg der Fastfood-Ketten aus den USA, zählte das Unternehmen zu den Pionieren der Systemgastronomie in Deutschland. Anfang der achtziger Jahre konnten die Menschen in 18 Ländern, auf vier Kontinenten ein frisch gegrilltes Hendl bei „Wienerwald“ genießen. Doch dann kam das Aus. Die Finanzmisere des Brathendl-Konzers hatte auch Auswirkungen auf Schwäbisch Gmünd: Im Sommer 1982 schließt der „Wienerwald“ in der Bocksgasse seine Pforten. Doch für den mittlerweile zwanzigjährigen Uwe Brösamle bringt das Jahr auch Gutes: Er lernt seine zukünftige Frau kennen. Karin arbeitet als „Visual Merchandiser“, Uwe geht nach dem Abschluss an der Schiller Realschule, in Straßdorf als Zahntechniker in die Ausbildung. Die Beiden werden ein Paar.

Der erste gemeinsame Urlaub 1983 führt die beiden nach London. Das der Trip genau auf die Kinopremiere des Bond Films Octopussy fällt, sei Zufall gewesen. Doch nicht genug. Vom Bond Fieber gepackt wollten sie noch tiefer in die Filmwelt eintauchen und schlichen sich in die Pinewood-Studios. Einmal die Luft des Drehortes atmen, doch der Sicherheitsdienst schmiss sie in hohem Bogen raus. Die Pinewood-Studios, legendäres Zentrum der britischen Filmindustrie, liegen am Rande der Ortschaft Slough, in der Grafschaft Buckinghamshire. Mitte der dreißiger Jahre, als es in Londons Vororten noch mehr als zwanzig Filmstudios gab, wurde der Komplex rund um das prunkvolle viktorianische Herrenhaus Heatherden Hall errichtet. Dort drehte auch Alfred Hitchcock, dort entstand der Blockbuster „Batman Returns“. Für Uwe Brösamle sind das heilige Hallen, da hier die meisten und längsten Teile der James Bond Filme gedreht und aufgenommen wurden. Die Technik ist es auch, die ihn an den Bond Filmen am stärksten beeindruckt.

Doch auch die spektakulären Drehorte begeistern ihn und gern würde er sie alle bereisen. Als er 1988 Urlaub in Kalifornien machte, entschied er mit seiner Frau Karin zu bleiben. Zuerst habe man das Visum für den Urlaub verlängert und dann die Greencard beantragt. Er habe beweisen müssen, dass er keinem Amerikaner den Job wegnimmt. Drei Monate lang habe das „Department of Labor“, das dortige Arbeitsamt, einen Zahntechniker gesucht.

Als keiner gefunden wurde, war klar: er darf bleiben. Er habe in unterschiedlichen Dentallabors gearbeitet und sich dann im Jahr 1991 selbstständig gemacht. Sieben Angestellte habe er damals gehabt, heute nur noch zwei. Das Geschäft lief gut. Er ist erfolgreich. „Ich reiste durch die Staaten und hielt Vorträge und Seminare“, so Brösamle. „Manchmal vor 1000 Zuhörern.“ Die Verbindung nach Deutschland verlor er jedoch nie, schon wegen der Eltern. Für die Firma Gamundia aus Heubach vertreibt er dort bis heute deren Produkte zur Dentalherstellung.

AMERICAN WAY OF LIFE
In den vergangenen 30 Jahren sei er ungefähr fünf mal umgezogen, doch stets innerhalb des Bundesstaats Kalifornien. In Amerika sei dies einfacher als in Deutschland. Der Immobilienmarkt sei groß, viele würden nicht länger als sechs Jahre in einem Haus leben. Einbauschränke gehören in amerikanischen Häusern zur Grundausstattung und fehlen in kaum einem Zuhause. So müsse man eben nicht bei jedem Umzug neue Möbel kaufen. Uwe und Karin Brösamle vergrößerten sich mit jedem neuen Hauskauf etwas. Ganz im amerikanischen Stil. Doch in Amerika sei das kein Thema. Man würde dem Nachbarn seinen Erfolg gönnen. In Deutschland habe er manchmal das Gefühl, dass dem Nachbarn nicht alles gegönnt werde.

Doch großspurig kommt Uwe Brösamle nicht rüber. Auch wenn er oft abhebe, um seinem 007 näher zu sein, sei er doch bodenständig geblieben. Während er viel arbeitete, habe sich seine Frau um das Haus und die beiden Kinder Kevin und Anisa gekümmert. Seine Freunde hingegen halten ihn für verrückt, doch er hält dagegen: „Die Bond Filme sind mein Hobby.“ In den vergangen 50 Jahren wurde Bond an den schönsten Orten der Welt gedreht. Und die will Brösamle eben alle besuchen, 70 Prozent davon habe er schon gesehen. Und schließlich würden ja auch immer neue Drehorte hinzukommen, ein Ende seiner Leidenschaft sei demnach nicht in Sicht. Eine Vorlage liefert ihm auch Martijn Mulder, den er im Jahr 2012 kennenlernt, mit seinem Buch „On the tracks of 007“. Dieses Werk dient ihm fortan als Reiseführer. Gemeinsam reisen Brösamle und Mulder nach Japan, einem der unzähligen Drehorte.

RÜCKZUGSORT IN EIGENEN HAUS
Eine Fotografie zeigt ihn neben dem Aston Martin DB 5, ein Klassiker der eigens umgebaut wurde. Ein typisches Bond Auto, mit allen Raffinessen. Aufgenommen habe es Martijn Mulder in Japan. Den Drehort eines Films zu besuchen, sei das Highlight. Man komme zu Orten, an denen man nie Urlaub machen würde. Die Begegnungen auf seinen Reisen, seien oft so spektakulär wie der Film selbst. „Bei der Premiere des James-Bond-Streifens „Spectre“ in der Royal Albert Hall in London, gaben sich sogar Prinz William und Prinz Harry die Ehre und vertraten das englische Königshaus.“ Und so lernte Uwe Brösamle auch später in den Pinewood-Studios bei London „seinen“ Bond, Roger Moore kennen. Einschleichen muss er sich in die Studios heute nicht mehr, er wird einmal im Jahr eingeladen. Das Drehteam um 007 sei wie eine große Familie und mittlerweile gehöre er dazu. Richard Kiel, der „Beißer“ aus den Bond Filmen, empfing Brösamle bei sich zu Hause.

In seinem Haus bei Sacramento, nur zwei Stunden von San Francisco entfernt, gehört ein Zimmer nur ihm. Dieses Zimmer ist der Rückzugsort den engagierten Zahntechnikers. Sein Fan-Zimmer bietet Platz für alle Sammler- und Liebhaberstücke, die er im Laufe der Jahre auf Drehplätzen gefunden, ersteigert oder geschenkt bekommen hat. Auch die Poster von Huttenlocher zieren gerahmt die Wände und erinnern an die Kindheit im fernen Schwäbisch Gmünd. Und immer wieder auf den Bildern zu sehen: sein „Bondgirl“ Karin, seine Ehefrau. Auch wenn sie, wie auch seine beiden Kinder Kevin und Anisa, nie wie er zu einem echten Bond Fan wurde, teilt sie seine Leidenschaft und begleitet ihn auf jeder noch so fernen Reise. Zwei bis dreimal im Jahr treibt es die Beiden zurück in die alte Heimat, nach Schwäbisch Gmünd. Auch wenn seit dem Tod des Vaters, die Mutter zog zu seinem Bruder nach München, kein Verwandter mehr dort wohne. Doch die alte Stauferstadt habe es ihm angetan. Kulturell vor allem aber auch die Menschen und Freunde, die in ihr leben. Auch Lorch wird oft besucht, denn dort lebt Karins Familie.

KONSERVATIV UND PRÜDE
In den Vereinigten Staaten erlebte Uwe Brösamle die Menschen prüder und konservativer als in Deutschland. Nacktheit sei zwar nicht so verpönt wie die Pornografie gewesen, aber auch nicht erlaubt. Mit einem Fotoprojekt wollte er dem etwas entgegensetzen. Auch einige aus seinem Bekanntenkreis ließen sich gern von ihm fotografieren. Aus diesem Bildmaterial entstand ein erotischer Bildband: sein Buch „Nackt – Nude“ erschien im Jahr 2001. Die Bilder zeigen Frauen nackt, mal durch ein hauchdünnes Tuch bedeckt, aber immer ästhetisch und schön. Auf das Buchprojekt folgte ein Film. „Ich wollte einmal selbst einen Film drehen.“ So brachte er 2004 seinen ersten Krimi auf die Leinwand. Mit rund 20 Darstellern, ihm als Regisseur, er schrieb auch das Drehbuch, gewann er beim La Jolla Film Festival. Obwohl allesamt Amateure waren. Allerdings gab es in seinem Film keine wilde Verfolgungsjagd. Das komme bei 007 authentischer rüber. Von solch einer Regie sei er weit entfernt. Erreichbarer, zumindest für Brösamle, sind die außergewöhnlichen Drehorte der Bondfilme rund um den Globus.

Über die sozialen Medien habe er Gleichgesinnte gefunden. Überhaupt sei heutzutage vieles einfacher. Google biete schnelle Ergebnisse zu vielen Fragen. Sogar auf die Suche nach der Villa mit dem Pool, in dem die Verfolger Bonds in der Folge „Leben und sterben lassen“ landeten, bekam der 007 Fan ein Ergebnis. Die Bilder des Satelliten führten den Suchenden direkt zu dem Haus in der Nähe von New Orleans. Abgelegen sei es gewesen, nah am Sumpf, ein großer Hund bewachte es. Als die Bewohnerin, eine alte Dame, die Besucher auf ihrem Grundstück sah, habe sie erstaunt gerufen: „Auf sie habe ich 40 Jahre gewartet.“ Keinem Kinogänger blieb wahrscheinlich dieser Drehort so im Gedächtnis wie Uwe Brösamle, der ihn als elfjähriger Junge in einem schwäbischen Kino entdeckte.

Text: Susanne Rötter Fotos: privat

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