In Dirndl und Lederhose auf dem Oktoberfest – Modetipps für Feiernde

Was ist gerade in Mode? Was ist tabu? Und muss ich auch als Tourist in Tracht schlüpfen?
Dirndl und Lederhosen sind auf dem Oktoberfest zum Massenphänomen geworden - dabei trugen nicht mal die Münchner bis zu den 2000er Jahren Tracht beim Wiesn-Besuch. Foto: Felix Kästle/dpa/dpa-tmn

In Dirndl und Lederhose auf dem Oktoberfest – Modetipps für Feiernde

In München macht man es natürlich, in Stuttgart jetzt auch und sogar im Pott oder in Berlin: Menschen tanzen auf dem Oktoberfest und ähnlichen Festen in Dirndl und Lederhosen. Was ist gerade in Mode? Was ist tabu? Und muss ich auch als Tourist in Tracht schlüpfen?

München (dpa/tmn) – Auf dem Oktoberfest tun sie es alle: Dirndl und Lederhose sind Einheitsuniform für Feiernde auf der Münchner Wiesn und ähnlichen Festen in anderen Städten geworden. Dabei tragen sogar gestandene Bayern eher selten die traditionellen Gewänder. Anlass für ein paar Fragen an Stil- und Kulturexperten: Muss das denn auf dem Oktoberfest sein? Und darf ich als Zugereister überhaupt zur Tracht greifen? Ein paar Fakten zum Styling für alle Wiesn-Besucher – ob aus Bayern oder der Welt:

 

Im Trend liegen klassische Schnitte und Muster, passend dazu haben die aktuellen Dirndl oft gedeckte Farben. So auch zum Beispiel bei Berwin & Wolff (Dirndl ca. 239 Euro, Bluse ca. 60 Euro, Strickjacke ca. 180 Euro). Foto: Kay Blaschke/Berwin & Wolff/dpa-tmn

Welche Modetrends sind für die Wiesn 2017 zu erwarten?
Heidi, Liesl, Fritzi, Marie & Co. – schon an den Namen der Dirndl zeigt sich der Trend zum Traditionellen, berichtet Einkaufsberaterin Sonja Grau aus Ulm. Im Trend liegen klassische Schnitte und Muster, passend dazu haben derzeit beworbene Dirndl oft gedeckte Farben. Auch typisch für die Tradition: Es geht um hohe Qualität der Verarbeitung, so Grau. Gleiches gilt für Männer: Schon seit einigen Jahren werden verstärkt traditionelle Beistücke und Varianten gehypt. Aber: Die Bandbreite der Dirndl und Lederhosen im Handel ist so groß, dass letztlich sich kein klarer Stil auf der Wiesn durchsetzen dürfte.

Gibt es Trage-Empfehlungen für die Saison-Trends?
«Der vorherrschende Trachtentrend birgt die Gefahr, sehr schnell altbacken, bieder oder spießig zu wirken», erklärt Grau. Sie empfiehlt, mit Accessoires gegenzusteuern: Blüten, Schmucksteine und Bänder fürs Haar und den Hut auf dem Kopf. Nichtsdestotrotz handelt es sich hier ebenfalls um eher traditionelle Beiwerke. Auch bei den Männern liegt das im Trend: «Ein besonders schönes Charivari oder gar einen Ranzengürtel», empfiehlt Grau.

 

Der Trachtenhype hat inzwischen viele Ausprägungen: Wer auf das Dirndl verzichten mag, findet zum Beispiel auch Jeans mit entsprechenden Verzierungen. Dieses Modell mit typischer Lederhosen-Optik am Bund stammt aus der Kollektion Himmelblau by Lola Paltinger, die exklusiv bei HSE24 erhältlich ist (Pullover ca. 80 Euro, Jeans ca. 100 Euro). Foto: Lola Paltinger/HSE24/dpa-tmn

Muss die Tracht auf dem Oktoberfest eigentlich sein?

Nein, es gibt keinen Dresscode. Vor allem: «Vor den 2000er Jahren ist kaum jemand in Dirndl und Lederhose aufs Oktoberfest gegangen», berichtet die Kulturwissenschaftlerin Simone Egger von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Sie hat ein Buch zum «Phänomen Wiesntracht» in München geschrieben. Während man in den 50er und 60er Jahren sogar im Anzug und Kostüm die Wiesn besuchte, war später der Freizeitlook mit Jeans angesagt.
Der Trachten-Hype entstand zunächst in der Nische: Secondhand-Geschäfte in München verkauften alte Dirndl und Lederhosen und das Zubehör. Münchner nahmen nicht die Gesamtoutfits, sondern Einzelteile und peppten damit ihren alltäglichen Look für den Festbesuch auf. Und dann setzte ein Kreislauf ein: Immer mehr kopierten den Look, bauten ihn aus, und erste lokale Designer schneiderten moderne Kleider mit traditionellen Anleihen. Letztlich wurde daraus ein Massenmarkt, der sogar Touristen anspricht.

Darf ich als Tourist eigentlich Tracht tragen?

Es gibt eine Antwort für alle weiblichen Touristinnen, die jemals den Vorwurf hören, sie dürfen das nicht: Früher haben nur Zugereiste Dirndl getragen, verrät Kulturwissenschaftlerin Egger. Hier ist ein bisschen Wissen für den Smalltalk im Festzelt: Der Begriff steht für ein lokales historisches Gewand, das handgefertigt wird. Und Tracht gibt es überall auf der Welt – aber Dirndl und Lederhose gehören nicht unbedingt dazu. Letztere war eine klassische Arbeiter- und Jagdklamotte, und der Lodenjanker war die übliche Jacke. «Das Dirndl hingegen ist sogar eine Erfindung des späten 19. Jahrhunderts für Frauen aus Großstädten wie Berlin, Hamburg und sogar London, die im Sommer auf dem Land Urlaub machten», erklärt Egger. Das Baumwollkleid mit Mieder in Karo- und Blumenmuster erinnere also an historische Trachten, stehe aber immer schon mehr für eine schöne Idee der Mode.

 

Auch wenn er schon immer irgendwie dazugehörte: Der Hut zum Dirndl und zur Lederhose gilt als Trendaccessoire. Auch Amsel stattet damit seine Models aus (Dame: Dirndl 679 Euro, Bluse 169 Euro; Herr: Hirschlederhose 899 Euro, Janker 499 Euro, Weste 249 Euro). Foto: Amsel/dpa-tmn

Wenn ich Dirndl und Lederhosen trage: Welche Styling-Regeln halte ich besser ein?

«Grundsätzlich ist kein Dirndl echter oder besser als das andere», betont Kulturwissenschaftlerin Egger. Das Dirndl setzt sich lediglich zusammen aus einem grundlegenden Schnitt, einem Miederoberteil und einem angereihten Rock. «Dieser Schnitt kann unendlich variiert werden, auch in der Länge.» Auch sollte man sich nicht von scheinbaren Stilvorgaben für das Kleid irritieren lassen: So heißt es häufig, der Saum gehört einen Maßkrug breit über den Boden. «Die Geschichte mit dem Maßkrug und der Länge ist eine genauso schöne Erfindung wie die mit den Schleifen – völlig fantastisch», so Egger.
Doch auch, wenn es sich um keine echte Tradition handelt, gut zu wissen ist das mit der Schleifenfrage beim Flirten allemal: die Binderichtung der Schürzenschleife am Dirndl gilt auf der Wiesn als geläufiges Signal für den Beziehungsstatus. Sitzt die Schleife rechts an der Taille, ist die Trägerin vergeben. Links signalisiert, der Flirtversuch ist möglich, erläutert Modeberaterin Grau. Und die Mitte stehe einfach nur für «modische Unkenntnis».
Einen Tipp gibt noch die Oktoberfestseite der Stadt München: «Gescheide Schuhe» tragen. Flip-Flops zum Beispiel seien zur Tracht ein Tabu. Und außerdem tritt man sich im Gedränge schon mal gegenseitig auf die Füße, das tut in Haferlschuhen weniger weh.

Info-Kasten: Sicherheitsregeln

Es gibt aber durchaus eine Vorschrift für alle Festbesucher – aus Sicherheitsgründen. So dürfen nur kleine Taschen mit einem Fassungsvolumen von maximal drei Litern und den Maßen 20 mal 15 mal 10 Zentimeter mit auf den Festplatz gebracht werden.

 

Von Simone Andrea Mayer, dpa

Fotos, dpa

Kategorien
Kultur

VERWANDT

  • THE WORLD FAMOUS GLENN MILLER ORCHESTRA DIRECTED BY WIL SALDEN 

    JUBILÄUMSTOUR – 35 JAHRE Seit mehr als 35 Jahren mit 5.000 Konzerten leitet Wil Salden das Glenn Miller Orchestra für Europa. Also mehrere Gründe um auf große Jubiläumstour durch...
  • SELTSAME SPEZIES

    Eine traurige Zahl. Weltweit hat das Corona-Virus hunderttausende Menschen dahingerafft oder zumindest ihren Tod mitverschuldet. Überwiegend Ältere; doch auch Jüngere sind Covid-19 zum Opfer gefallen. In der Regel, weil...
  • AUS DEM LEBEN EINES REDAKTEURS

    Timo Lämmerhirt berichtet in seinem Buch davon, wie sich seine Arbeit bei der lokalen Tageszeitung durch die Krise plötzlich veränderte, denn als Sportredakteur gab es für ihn schlichtweg kaum...
  • „NIMM DIR FREI, AUCH VON DIR SELBST.“

    „Weniger ist manchmal mehr“, sagt ein altes Sprichwort. Und schon Aristoteles lehrte in der Antike, dass menschliches Glück mit Maßhalten einhergeht. In unserer Zeit, in der zunehmender Stress die...