DIE DYNAMIS – DIE MÖGLICHKEIT

WAS EIN BEGRIFF ALLES BEDEUTEN KANN

Dynamis, Möglichkeit – ein Wort, das wir durchaus häufig in der deutschen Sprache verwenden. Der Begriff der Möglichkeit bildet sich in der griechischen Philosophie aus dem Vermögen (Dynamis), der sich schon bei den Vorsokratikern und bei Platon findet.

Ein Beispiel zur dynamischen Möglichkeit lässt sich an einem Weizenhaufen erläutern. Wie viele Weizen-Körner befinden sich in ihm? Reicht unser Vorstellungsvermögen dazu aus, um das zu ermessen? Auf jeden Fall sehr viel und jedes von den Körnern ist eine Möglichkeit. Denn aus jedem Korn kann eine Pflanze werden.

GOTT IST DYNAMIS

Dynamische Möglichkeit als aktives Vermögen (Wirkursache) hat eine höchste ontologische Bedeutung bzw. Steigerung, wenn die erste göttliche Substanz als unendliche Dynamis bezeichnet wird. Neben der realen inhaltlichen Bedeutung von Möglichkeit führt Aristoteles auch ein logische, formale ein, nach welcher das Mögliche das ist, was ohne Widerspruch gedacht werden kann.

Im Mittelalter wird Möglichkeit verstanden, die Dinge der Welt hauptsächlich in theologischen Zusammenhängen wie der Trinitätslehre bei Thomas von Aquin als Allmacht Gottes zu betrachten. Die Möglichkeit der geschaffenen Dinge, ihre Ideen, die durch Gott schon vor der Schöpfung vorgedacht sind. Die dynamische Möglichkeit als aktives Vermögen und die logische Möglichkeit werden auf metaphysische Voraussetzung zurückgeführt: Die unendliche Seinswirklichkeit Gottes selbst ist zugleich vollkommene Vernunft, Wirklichkeit und Willenstätigkeit.

MENSCHLICHE VERNUNFT

Der Philosoph Immanuel Kant übte Kritik an der rationalen Metaphysik und Theologie. Nach ihm wird die Möglichkeit der Dinge von den subjektiven Erkenntnisbedingungen im Menschen bestimmt – von der Sinnesanschauung und der menschliche Vernunft, die nunmehr gleichsam an die Stelle der göttlichen Vernunft tritt.

Dynamische, konstruktive Denkmöglichkeit findet sich dann im Schöpferischen, im Ich-Bewusstsein im deutschen Idealismus. In der Gegenwart kehrt sie unter verschiedenen Aspekten zum Beispiel in den projektierenden Naturwissenschaften wieder. Und in ganz anderer Weise im schöpferischen Daseinsentwurf existenzialistischer Richtungen. Von logischer, analytischer und sprachphilosophischer Seite wird teilweise die objektiv reale Möglichkeit der Dinge geleugnet und auf die subjektiv menschlich reduziert.

LICHT UND FINSTERNIS

Nach den frühgriechischen Naturphilosophen sind die natürlichen Stoffelemente mit Bewegungskräften begabt. Nach Thales (griechischer Philosoph um 600 vor Christus) durchdringt den Urstoff Wasser eine göttlich bewegende Kraft (Dynamis), nach Parmenides (griechischer Philosoph 500 v. Chr.) gibt es in der Physik es zwei Prinzipien – Licht und Finsternis, die sich nach ihren Vermögen (Dynamis) in allen Dingen finden. nämlich hier entstehen und vergehen sein und nicht sein zu verursachen.

„Wir bleiben Tag für Tag unter unseren Möglichkeiten.“ Reiner Gringmuth.

Die Pythagoräer, die als Elemente der Dinge die Zahlen annehmen, sprechen von Natur und Vermögen (Dynamis) der Zahlen, die das Wesen der Dinge ausmacht. So wird Dynamis in einer speziellen mathematischen Bedeutung verwendet. So ist nach ihnen zum Beispiel in der Zahl vier die Zehn nach Vermögen enthalten, weil die ersten vier Zahlen addiert, zehn ergibt (1+2+3+4 gleich 10)

DAS SEELISCHE VERMÖGEN

Platon verwendet Dynamis hauptsächlich für die seelischen Vermögen des Menschen und zwar für die erkennenden und die sittlich-praktischen der Tugenden. Zum Beispiel der Tapferkeit, hier in einer weiteren Bedeutung auch für das umfassende Vermögen die Möglichkeit das bessere Leben zu wählen. So wird das mögliche Hier mit dem gewöhnlichen Selbst identisch. Das lässt außer Acht, dass aus Möglichem zwar nicht sogleich, wohl aber zur verschiedenen Zeiten Entgegengesetztes deutlich werden kann. Zum Beispiel kann ein Mensch, der die Möglichkeit hat zu sitzen und stehen, zwar nicht zugleich wirklich sitzen und stehen, wohl aber zeitlich nacheinander.

„Im unendlichen Möglichkeitsraum ist Platz für jede denkbare Wirklichkeit.“ Kersten Kämpfer

Bei Augustinus (lateinische Kirchenlehrer und Philosoph, 354 nach Christus) wird der Möglichkeit- und Wirklichkeitsbegriff aus der neoplatonischen Tradition verwendet und in das christliche Denken einbezogen. Doch sind die Materialprinzipien bei Augustinus nicht mehr wie bei den Griechen unabhängig von Gott und gleich ewig mit ihm, sondern nach der christlichen Schöpfungslehre von Gott geschaffen.

ALLES IST MÖGLICH

Nach Descartes (französischer Philosoph, 16. Jhdt.) ist wie in der Tradition alles das, was wir klar und deutlich, also ohne Widerspruch erkennen, möglich und kann von Gott realisiert werden. In seiner Physik lehrt Descartes, dass die Materie alle Gestalten, derer sie fähig ist, durchläuft. Folglich muss alles, was aufgrund der Naturgesetze in dieser Welt möglich ist, zu irgendeiner Zeit auch wirklich werden. Nach dem deutschen Idealismus herrscht bis zur Gegenwart weiter der dynamische aktive Möglichkeitsbegriff vor, wenn auch unter sehr verschiedenen Vorzeichen der jeweiligen philosophischen Richtung.

Text: Konstantin Gorlas

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