SIND SIE EIN KOTELETT-FRIEDHOF?

DER TERROR DES SCHLANKHEITSWAHNS Als Rotkäppchen die Waldhütte betrat, rief sie: Großmutter, ich habe Dir ein paar fett- und cholesterinarme Lebensmittel mitgebracht um Dich in Deiner Rolle als weiser...

DER TERROR DES SCHLANKHEITSWAHNS

Als Rotkäppchen die Waldhütte betrat, rief sie: Großmutter, ich habe Dir ein paar fett- und cholesterinarme Lebensmittel mitgebracht um Dich in Deiner Rolle als weiser und nährender Mutter des Matriarchats zu stärken.” Das ist – etwas unter Missachtung der Rechtschreibung – eine Internet-Persiflage auf den Irrsinn politischer Korrektheit. Unter anderem geht es auch um die korrekte Umschiffung der Benennung der Fettleibigkeit. Grob unkorrekte Begriffe für Fette sind „Doppeldeckerbus“, „ÜHU“ (über hundert Kilo) und, besonders charmant: „Kotelettfriedhof.“

Ein Freund des Autors ist ein bekennender ÜHU, mit 175 Kilo Sumoringer-Gewicht das krasse Gegenteil von einem Kalorien-Killer. ÜHU-Fritz ist mit einer ÜHU-Frau verheiratet. Beide sind ausgewiesene Grill-Experten. An Selbstsicherheit fehlt es beiden ganz gewiss nicht. Gut, Fritz hat nur einen Rasierspiegel, ein Ganzkörperspiegel kommt nicht ins Haus. Aber den ÜHUS käme es nie in den Sinn, bis zum Europäischen Gerichtshof zu klagen, damit ihre Fettleibigkeit als Behinderung anerkannt wird. Ein Däne hat das getan – ihm war der Job als Kindergärtner gekündigt worden. Das Urteil ist schwammig: Es kommt darauf an (den Einzelfall).

 

 

Nahrung wird gescannt

Beiden schmeckt es halt. Fritz isst nicht Nahrung, er scannt sie. Während man noch beim fünften Bissen des Brötchens ist, hat er schon ein komplettes Vierzig-Zentimeter-Baguette mit einer Doppel-Lage Rauchfleisch-Speck verschlungen. Plus 1,25 Liter Cola. Cola muss immer sein – auch wenn Braten oder Fisch eigentlich nach Wein verlangen. ÜHU-Fritz ist klar, dass er wohl die nächsten zehn Jahre nicht ohne Diabetes und einen Schlaganfall überstehen wird.

Ich mag Fritz, weil er ein lustiger Typ ist und die nötige Portion ironischer Selbstdistanz hat, die ich für den wichtigsten Gradmesser halte – für den Test, ob jemand wirklich Humor hat. Und ich mag ihn auch deshalb, weil er das komplette Gegenteil vom anderen Extrem ist, vom Selbstoptimierungsschlankheitswahn (solche Lindwurm-Wörter gibt es nur im Deutschen!). Vom Diäten-Horror, der das ganze Land im Würgegriff hat. Ja, es stimmt, 60 Prozent der deutschen Männer und 38 Prozent der Frauen haben Übergewicht (Übrigens: Das weltweit fetteste Volk sind die Mexikaner).

 

 

Was sagt schon der BMI

Aber was heißt das schon? Aus dem Rahmen des Bodymaß-Index’ (BMI) gefallen? Er wird berechnet nach der Formel Masse (Gewicht) durch Körpergröße im Quadrat. Adolphe Quetelet hat ihn 1832 entwickelt. Ab einem Wert von 30 gilt man als „adipös“ (fettleibig) und als „behandlungsbedürftig“. In Wahrheit hat dann ein Mann einen nicht zu verbergenden (leichten) Bierbauch bei einer Größe von 1,76 Metern. ÜHU-Fritz kommt (trotz 1,82 Metern) auf einem BMI von 53!

Zurück zum Diäten-Wahn. Man kann wirklich alle todsicheren Tipps aus Frauen-Magazinen und sonstigem Werbe-Gedöhns vergessen. Nichts hilft. Nicht wirklich. Denn der milliardenschwere Markt der Abnehm-Industrie suggeriert in immer neuen Variante nur eins: Du musst nicht wirklich etwas wirklich Anstrengendes tun, um Kalorien zu killen.

 

 

Das Maß ist die Mitte

Es gibt nur eine Methode, die wirklich hilft: Beweg dich und iss weniger, vor allem keinen Junkfood-Müll. Jeder weiß das auch, aber nicht viele wollen die Tortur auf sich nehmen – vor allem dann, wenn der „Sannwald-Spoiler“ (Bierbauch bei Männern) schon da ist oder bei den Frauen der Hüftspeck über den Leggins quillt.

Die menschliche Spezies neigt zum Mittelmaß – was die Intelligenz betrifft. Die Wissenschaft weiß auch nicht, weshalb das so ist. Bei der Intelligenz können wir nicht viel machen. Man hat sie halt oder nicht. Das ist der Job von Gott. Ein Mittelmaß bei der Kilomasse ist unser Job. Ein Mittelmaß anstatt der Maßlosigkeit bei unseren Schönheitsidealen wäre auch nicht schlecht. Wir wären glücklicher.

 

Wotan

Kategorien
Satire

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